25JahreDialog: Interview mit Carmen Steimann
Mit einem Schulaustauschjahr in Rovaniemi fing alles an... Die heutige Präsidentin der Kulturkommission der Schweizer Vereinigung der Freunde Finnlands SVFF besuchte damals sogar das neu gegründete Midnight Sun Film Festival in Sodankylä/Lappland. Kein Wunder, dass Finnland Carmen Steimann auch dreißig Jahre später nicht losgelassen hat.
Woher kommt Ihr Interesse für Finnland und die finnische Kultur?
Ich habe mich schon immer für den Norden interessiert und so zog es mich während des Gymnasiums auch für ein Austauschjahr nach Nordeuropa. Dies war Mitte der 1980er-Jahre, und nur wenige Austauschschüler/innen wählten Europa als Wunschdestination. Bei meiner Organisation standen nur vier europäische Länder zur Auswahl und ich entschied mich für das am weitesten entfernte – Finnland. An Distanz zur Schweiz mangelte es dann nicht, denn ich wurde in einer Gastfamilie in Lappland platziert.
Welches Finnlanderlebnis hat Sie besonders geprägt?
Mein Austauschjahr in Rovaniemi am Polarkreis war in vielerlei Hinsicht prägend. Die dunklen Wintermonate und die finnische Sprache waren echte Herausforderungen, gerade deshalb hat mich dieses Jahr beeinflusst und auch gestärkt. Meine Gastmutter bestand darauf, dass in der Familie Finnisch gesprochen wird – ihr und den drei Gastschwestern verdanke ich, dass ich mich in Finnisch verständigen kann.
Der Gastvater war Schauspieler und hat mir denkwürdige Kulturerlebnisse ermöglicht. Ich habe 1986/87 sämtliche Premieren am Stadtheater Rovaniemi besucht und war beim damals neu gegründeten Midnight Sun Film Festival in Sodankylä. Die Vorstellung des Tarkowski-Films Stalker – und die mehrstündige Hin- und Rückreise durch die nordfinnische Wildnis – habe ich so schnell nicht vergessen.
Wie hat sich Ihre persönliche und berufliche Beziehung zu Finnland über die Zeit entwickelt und verändert?
Finnland hat mich nicht mehr losgelassen, aber anfänglich war es schwierig, in der Schweiz den Kontakt zu pflegen. Einen Finnischkurs für Fortgeschrittene beispielsweise konnte ich hier nirgends besuchen. Sehr viel gebracht hat mir deshalb, dass ich 1993/94 mit einem Stipendium im ostfinnischen Joensuu weiterstudieren konnte. Dort habe ich ein englischsprachiges Programm zu „Karelia, the Baltic Area and Eastern Europe“ besucht und neben Finnisch auch etwas Russisch gelernt.
Heute reise ich regelmässig nach Finnland und verfolge die kulturellen Entwicklungen. So bin ich in die Kulturkommission der SVFF gekommen, deren Präsidium ich 2017 übernehmen durfte. Das Engagement für finnische Kultur ist eine Konstante, die mich fast mein ganzes Berufsleben lang nebenher begleitet und viele Türen geöffnet hat.
Woraus besteht Ihre Arbeit als Präsidentin in der Kulturkommission der Schweizerischen Vereinigung der Freunde Finnlands?
Die SVFF ist eine Freundschaftsvereinigung mit gegen 3.000 Mitgliedern. Ein Teil der Mitgliedsbeiträge kommt traditionell dem Kulturaustausch zu Gute und wird von der Kulturkommission verwaltet. Dank diesem Fokus auf Kultur konnten schon viele hochkarätige Kulturanlässe mit finnischer Beteiligung realisiert werden – und dies alles in Freiwilligenarbeit. Das Festival Finnischer Frühling in Winterthur zum Beispiel, das Schweizer Satellitenprogramm zur Frankfurter Buchmesse mit Gastland Finnland 2014 und ein grosses Programm zu 100 Jahre Finnland 2017. Bei all diesen Schwerpunkten gab es Kooperationen mit dem Finnland-Institut, beispielsweise Wanderausstellungen oder ein Podiumsgespräch.
Wie genau gestaltet sich die Tätigkeit des Vereins in der Schweiz?
Die Vereinigung hat acht regionale Gruppen und einen Zentralvorstand, der die Geschäfte koordiniert. Die Kulturkommission ist für die ganze Schweiz zuständig – und dank Partnern wie dem Finnland-Institut auch über die Landesgrenzen hinaus vernetzt. In der Kommission versuchen wir eine Balance zu finden zwischen eigenen Projekten und Partnerschaften mit professionellen Veranstaltern. Besonders geschätzt wird auch unsere Kommunikation – in der monatlichen Kulturmail informieren wir über alle uns bekannten Anlässe mit Bezug zu Finnland.
Wie gut bekannt ist die finnische Kultur – vor allem abseits der Reisemagazine – in der Schweiz?
Namen wie Aki Kaurismäki, Alvar Aalto oder Jean Sibelius sind bei einem interessierten Publikum bekannt. Unsere Programmgestaltung fokussiert deshalb darauf, Neues und Überraschendes aus Finnland in die Schweiz zu bringen. Finnisches Kulturschaffen ist weltoffener und diverser geworden – und ich hoffe, dass sich dies in unserem Programm widerspiegelt.
Sie waren eine der 16 Absolvent_innen des MAS Kulturmanagement Praxis-Masterprogramms an der Hochschule Luzern im Jahr 2016. Handelte Ihre Abschlussarbeit auf irgendeine Weise von Finnland?
Ja, ich finde eigentlich fast bei jedem Thema einen Link zu Finnland… in meiner Abschlussarbeit habe ich mich mit der Landeskommunikation – Nation Branding – der Schweiz beschäftigt und diese in einem Exkurs auch mit Finnland, Schweden und Österreich verglichen.
Seit 2015 sind Sie Beiratsmitglied des Finnland-Instituts und damit Teil eines beratenden Gremiums, das einmal in Jahr in Berlin mit dem Vorstand und den festen Institutsmitarbeiterinnen zusammenkommt. Wie entstand Ihre Verbindung zum Finnland-Institut?
Ich habe 2014 im Rahmen des Schweizer Satellitenprogramms zur Frankfurter Buchmesse sehr intensiv mit dem Finnland-Institut zusammengearbeitet. Ein Höhepunkt waren die Finnischen Literaturtage Zofingen im Oktober 2014. Dort hat mich die damalige Leiterin Anna-Maija Mertens gefragt, ob ich Interesse an der Mitarbeit im Beirat hätte.
Das Finnland-Institut in Deutschland wird dieses Jahr 25 Jahre alt. Welche Bedeutung haben Ihrer Ansicht nach Institutionen oder Vereine wie das Finnland-Institut oder die SVFF für den deutsch-finnischen Dialog?
Eine grosse, obwohl sich nach meiner Erfahrung auch sehr viele Privatpersonen erfolgreich für den Kulturaustausch einsetzen. Neben der Botschaft von Finnland in Bern ist das Finnland-Institut der wichtigste Partner für die Kulturarbeit der SVFF. Unser Netzwerk hat sich dank diesem Kontakt exponentiell vergrössert und es sind schon viele gute Programmideen daraus hervorgegangen.
Carmen Steimann hat Literatur- und Medienwissenschaften studiert und sich in Kommunikation und Kulturmanagement weitergebildet. Sie ist seit 2015 Mitglied im Beirat des Finnland-Instituts. Seit 2017 präsidiert sie die Kulturkommission der Schweizerischen Vereinigung der Freunde Finnlands SVFF. Carmen Steimann lebt mit ihrer Familie in Bern und arbeitet als Redakteurin und Kulturmanagerin bei texturen.ch.
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Das Finnland-Institut wird im Herbst 2019 25 Jahre alt. Als erstes Kultur- und Wissenschaftsinstitut Finnlands im deutschsprachigen Europa wurde es Ende September 1994 eröffnet. In diesen 25 Jahren war der Dialog zwischen den finnischen Partnern und den Akteuren vor Ort in Deutschland, Österreich und der Schweiz zentral in der Tätigkeit des Finnland-Instituts. Diesen Dialog haben im der Laufe der Jahre die vielen Personen und Persönlichkeiten ermöglicht, die sich im Namen des Finnland-Instituts für den Austausch zwischen den Ländern engagiert haben. In unserer Blog-Reihe #25JahreDialog kommen im Laufe des Jahres einige von ihnen zu Wort.