Baran Caginli: Baking Books

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© Baran Caginli

PERFORMATIVE INTERVENTION.

Der Künstler Baran Caginli, geboren 1990 in Istanbul, lebt und arbeitet in Helsinki. In seinem Schaffen geht es oft um globale Fragen zur Dynamik von Macht, zu Konflikten mit Regierungen, um Militärsysteme, Identität und Diskriminierung. Mit Baking Books nimmt er Bezug auf den Staatsstreich vom 12. September 1980 in der Türkei und damit verbundene Ereignisse in seiner Familie.

Nach dem Militärputsch und der Auflösung des Parlaments und der Regierung wurden Tausende von Menschen inhaftiert und gefoltert, während gleichzeitig systematisch schwere Menschenrechtsverletzungen in großem Umfang begangen wurden. Auch der Vater von Baran Caginli, damals Gymnasiast in Istanbul, wurde – als Mitglied einer linken Jugendorganisation – wegen seiner Beteiligung an politischen Aktionen inhaftiert und gefoltert. Als sein Großvater von der Inhaftierung seines Sohnes erfuhr, reiste er aus einem Dorf in der Nähe von Kars, einer Stadt in der kurdischen Region, nach Istanbul, um seinen Sohn nach Hause zu holen. Er nahm dessen Bibliothek mit verbotenen marxistisch-leninistischen Büchern mit, die er zunächst für Schulbücher hielt. Nach seiner Rückkehr wurde er von Nachbarn gewarnt, dass es sich bei den Büchern um verbotene Literatur handele, und so beschloss er zusammen mit seiner Frau, sie in einem Kamin zu verbrennen. Weil die Menge der Bücher so groß war und das lange Einfeuern im Spätsommer auffiel, begann Caginlis Großmutter, eine Woche lang ununterbrochen Brot zu backen und es kostenlos an das ganze Dorf zu verteilen.

Baking Books ist eine performative Aktion, bei der Brot in Formen gebacken wird, die die Gesichter von Lenin, Marx und Rosa Luxemburg wiedergeben, und das dann in Erinnerung an diese und weitere Menschenrechtsverletzungen, Zwang und Zensur an die Öffentlichkeit verteilt wird.

Die Variante für den Kunstverein am dem Rosa-Luxemburg-Platz würdigt nicht nur die historische Bedeutung des Namens, sondern erzählt auch eine sehr persönliche Geschichte über die Auswirkungen des politischen Engagements. Sie verweist darüber hinaus auf eine wenig bekannte, fast vergessene Statue von Rosa Luxemburg in der Nähe des Platzes sowie auf die Zentrale der ehemaligen Kommunistischen Partei Deutschlands, bei deren Gründung Rosa Luxemburg eine wichtige Rolle spielte.

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Baran Caginli beleuchtet in seinen Arbeiten universelle Themen, insbesondere die Widersprüchlichkeiten von staatlichen Machtverhältnissen und Konflikten, von militärischen Systemen, aber auch systematische Unterdrückung, Diskriminierung und Identität. Oft zeigen sie Menschen, die Zeugen erzwungener Migration oder verschiedener Verluste sind. In Medien wie Fotografie, Skulptur, Installation und Archivmaterial integriert Caginli dazu oft handwerkliche Techniken und nutzt diese als Mittel der Tarnung, um die eigentliche Erzählung in einen neuen Kontext zu setzen und so subtile Botschaften zu senden.

 

In den letzten Jahren hat Caginli an mehreren wichtigen Ausstellungen teilgenommen, darunter der Helsinki Biennale (2021), Conditions of Peace in Wien, Belgrad und Iași (2021) und der Bukarest Biennale 11 (2024). Weitere bemerkenswerte Ausstellungen sind Earth Goes Back in Oulu (2024), Kotini Jossain / My Home Somewhere in Vantaa (2024), Kaiken Takana / Beyond Everything in Joutsa (2023) und M_itä? Biennale für zeitgenössische Kunst in Joensuu (2023). Frühere Ausstellungen fanden in Istanbul, Plovdiv, Marseille und Palermo statt.
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