Der Thriller Eis-Engel von James Thompson handelt von Inspektor Kari Vaara, der in einem finnischen Skiort zur kältesten und dunkelsten Zeit (auf Finnisch kaamos) des Jahres einen brutalen Mord aufklären muss.
Der Autor James Thompson ist gebürtiger Amerikaner und lebt schon lange Zeit in Finnland. Er ist verheiratet mit einer finnischen Frau, wobei die Hauptfigur Kari Vaara Finne ist und seine Frau wiederum Amerikanerin ist. Unter anderem war James Thompson in früherer Zeit auch Barkeeper, Münzhändler und Soldat. Außerdem machte er der Universität Helsinki einen Abschluss in englischer Philologie.
James Thompson zeigt die Unterschiede zwischen Amerika und Finnland aus jeweils dem anderen Blickwinkel (als Kari Vaara) und präsentiert zugleich auf unterhaltsame Weise die schönen wie auch schlechten Eigenschaften (wie z.B. Alkoholismus, Rassismus, Gewalt, Selbstmord) seiner zweiten Heimat Finnland. Und das ist ihm auch aus meiner Sicht gut gelungen.
Der Roman spielt in einem finnischen Skiort etwa 100 Meilen oberhalb des nördlichen Polarkreises in einem kleinen Dorf in Lappland, zur kältesten Zeit des Jahres. Draußen sind minus 40 Grad. Inspektor Kari Vaara, Anfang Vierzig, lebt dort glücklich mit seiner amerikanischen Frau. Seine Vergangenheit ist sowohl heldenhaft, zugleich aber auch schlimm. Als früherer Polizist in Helsinki wird Kari Vaara in einer Verfolgungsjagd angeschossen, doch es gelingt ihm, den Räuber mit letzter Kraft in Notwehr zu erschießen. Während der Genesung verlässt ihn seine Frau, ohne sich auch nur einmal sich nach ihm zu erkundigen. Doch er bekommt eine Tapferkeitsmedaille und wird zum Inspektor der Mordkommission nach Lappland befördert – was uns von der Vergangenheit in die Gegenwart bringt.
Der Inspektor beschreibt die Finnen während der kaamos-Zeit als ein durchgängig betrunkenes, mordendes, deprimiertes und selbstmörderisches Pack. Die Gewaltverbrecherrate sei, bezogen auf die relativ kleine Anzahl von Menschen. die in Finnland leben (ca. 5,5 Millionen), überdurchschnittlich hoch. Die Finnen werden als stille Rassisten beschrieben, was bedeutet, dass Rassismus nicht öffentlich, sondern still und heimlich ausgelebt wird. Mit schwarzem Humor und zugleich Augenzwinkern zeigt Thompson schonungslos viele schlechte Aspekte der Finnen. Auch die Deutschen werden kurz erwähnt, denn sie würden immer alles aus Hotels klauen, völlig skrupellos, so als wäre es ihr Besitz.
Der Mord geschieht jedenfalls relativ früh und lässt den Leser am Ball bleiben lässt. Es ist kein Buch, in das man hineinschaut und das man dann auf die Seite legt. Der Mord wird sehr genau erläutert und ist übertrieben brutal, also nichts für schwache Nerven. Der Inspektor meint den Mörder zu erkennen, doch die Aufklärung des Falles wird immer wieder erschwert, was das Buch sehr interessant macht.
Kari Vaara als Hauptperson wird als stämmig und immer eifrig beschrieben. Er hat einen Fall, also löst er ihn! Er wirkt sehr sympathisch und überhaupt nicht fremd. Man meint den Typen schon lange zu kennen.
Die Sätze, die in leichter Umgangssprache und nicht abgehoben geschrieben sind, bringen den normalen Sprachgebrauch eines Menschen aus einfachem Haus gut rüber. Der Autor schreibt auch manchmal einzelne Wortgrüppchen auf Finnisch mit der direkten Übersetzung in einem Satz, wie z.B. folgendem:
Haista vittu – riech an der Fotze. Ein blumiger Ausdruck dafür, dass ich mich verpissen soll. Seine alkoholisierten Gedanken schweifen in eine andere Richtung ab.
Die Atmosphäre des Thrillers, die Kälte und Dunkelheit, passen zu dem winterlichen Klima Lapplands und dem Empfinden seiner Bewohner. Dank einem nicht vorhersehbaren Ende und einer netten Persönlichkeit als Hauptrolle kann man von dem Roman nicht lassen. Meiner Meinung nach ein Muss für jeden Krimifan, der auch harte Kost gut vertragen kann.
Autor: Joel Leinkauf , Schülerpraktikant am Finnland-Institut.
Autor: | James Thompson |
Titel: |
Eis-Engel |
Verlag/Ort/Jahr: | Rowohlt: Hamburg, 2010 |
ISBN: | 978-3-499-25280-8 |