Mika Minetti im Interview
Der neue Kulturreferent des Finnland-Instituts amtiert seit fast hundert Tagen. Mika Minetti über seinen italienischen Großvater, Dynamik im Berufsleben und Kultur und Sprache als seelisches Kapital.
Wie sind deine ersten Wochen als Kulturreferent des Finnland-Instituts verlaufen?
Die ersten Wochen waren natürlich extrem arbeitsreich, und ich habe viel Neues gelernt. Am besten hat mir gefallen, das Team und die Kooperationspartner kennenzulernen − soweit ich Zeit hatte sie zu treffen. Zurzeit planen wir das Kunst- und Kulturprogramm für 2021. Auch wenn sich alles noch im Anfangsstadium der Planung befindet, kann ich schon versprechen, dass 2021 ein Genuss für alle Sinne werden wird!
Wie kam es eigentlich dazu, dass du Kulturreferent des Finnland-Instituts wurdest?
Seit meinem Umzug nach Berlin 2010 war ich lange als freier Journalist tätig. Ich habe für finnische Zeitschriften Artikel über Mode, Reisen, Design, Musik, Wohnen und im Großen und Ganzen über alles, was als „gutes Leben“ gelten kann, geschrieben. In Berlin haben meine Freunde Eemil Karila, Lola Lustosa und ich die Galerie „Musterzimmer“ gegründet. Wir hatten zwei Jahre lang in Schöneberg eigene Räumlichkeiten; danach haben wir überall in der Stadt Pop-up-Ausstellungen veranstaltet. Mittlerweile arbeitete ich auch als Copywriter bei Zalando. In der Modewelt habe ich mir einen dynamischen Arbeitsstil zu eigen gemacht und kreatives Denken entwickelt.
War das Finnland-Institut dir schon vorher ein Begriff?
Ich war im Laufe der Jahre bei etlichen Veranstaltungen des Instituts. 2018 fand am Finnland-Institut eine Diskussion über mein Buch It Happened in Berlin: Art, Love & Fashion zusammen mit der Künstlerin Niina Lehtonen Braun statt. Ihre Collagen sind auf dem Einband des Buches zu sehen.
Deinem Buch It Happened in Berlin nach zu urteilen kennst du die Kulturszene in Berlin richtig gut. Wie unterstützen dich diese Kenntnisse in deiner Arbeit?
Es ist schon toll, dass ich in Berlin so viele Künstler_innen, die eine internationale Karriere verfolgen, kennenlernen und ihr Schaffen hautnah beobachten konnte. Das hat mich bestimmt in meine jetzige Rolle hineinwachsen lassen. Es schadet ja wahrlich nicht, dass ich schon Netzwerke habe und dadurch nicht komplett bei null anzufangen brauche. Der Tätigkeitsbereich des Finnland-Instituts ist allerdings echt groß, da er das ganze deutschsprachige Europa umfasst. Wenn man das im Hinterkopf behält, bleibt man in diesem Job bescheiden – und weiterhin neugierig, natürlich.
In Berlin gefällt es dir offensichtlich sehr gut. Wie gut kennst du dich im restlichen deutschsprachigen Europa aus?
Ich habe gute Freunde und Verwandte in Frankfurt, München und Köln, deswegen kenne ich diese Städte einigermaßen gut. Es gibt aber immer noch vieles andere zu sehen. Seit langem träume ich von einer Reise in die Alpen oder den Schwarzwald.
Zudem liebe ich Wien, und wenn ich dort bin, besuche ich Cafés, Museen und Galerien. Die Galerie Krinzinger gefällt mir beispielsweise gut. Da Egon Schiele einer meiner Lieblingsmaler ist, gehört ein Besuch im Leopold Museum immer zu meinem Reiseprogramm. Zuletzt war ich mit dem finnischen Künstler Janne Räisänen dort. Wir sind in eine leicht peinliche Situation geraten, da wir im Museumscafé saßen und nicht mitbekamen, dass das Museum schon zumachte. Da das Personal schon weg war, bekamen wir unsere Mäntel und Taschen erst am nächsten Tag von der Garderobe zurück.
Bei Österreich fällt mir auch die Künstlerin Kirsi Mikkola ein. Sie unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste in Wien, deren Café übrigens auch unbedingt einen Besuch wert ist – besonders, wenn Kirsi zufällig in der Stadt ist. Ihre Studierenden arbeiten an echt interessanten Projekten.
Das Finnland-Institut ist dieses Jahr auch in Wien anwesend. Wir organisieren dort im Herbst einen Design Talk, und im November sind wir wieder auf der Buch Wien.
In der Schweiz war ich bereits in Zürich und Genf, aber ich möchte das Land noch viel besser kennenlernen. Meine Mutter hat in den 1970-Jahren kurz in Winterthur in einer Kinderklinik gearbeitet. In Berlin habe ich mal mit dem Schweizer Künstler René Luckhardt zusammengearbeitet: Er hat mich gebeten, eine Gruppenausstellung zu kuratieren. Außerdem hatten wir ursprünglich für dieses Frühjahr in Birsfelden noch die vom Finnland-Institut unterstützte Ausstellung Camp Solong der Künstlerin Dafna Maimon in Planung, die jetzt verschoben wird.
Was für Kultur möchtest du mehr sehen?
Gleichberechtigung, Diversität und Partizipation von Minderheiten sind für mich wichtige Werte, egal, ob es um ethnische oder sexuelle Minderheiten oder verschiedene Identitäten oder Subkulturen geht. Genau damit bestimmt man die Zukunft.
Auch als Kulturreferent des Finnland-Instituts möchte ich die Multikulturalität fördern; Einwanderung ist ja eins der wichtigsten Themen unserer Zeit. Ich hoffe sehr, dass es den Immigranten möglich ist, sich immer stärker in die Kultur- und Kunstszene zu integrieren.
Das Thema berührt mich auch persönlich, da mein Großvater zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts aus Italien nach Finnland kam, nachdem er als Musiker in ganz Europa herumgekommen war. In Tampere verliebte er sich in meine Großmutter, die aus der kleinen Stadt Hämeenkyrö stammte, lernte Finnisch und war nach dem Tod seiner Frau alleinerziehend für die fünf gemeinsamen Kinder verantwortlich. Dieser Mischmasch von Kulturen und Sprachen bedeutete für mich immer eine große Kraftquelle, seelisches Kapital und Reichtum.
Denny Brückner hat das Porträt Mikas Seelenraum von dir gezeichnet, wo du etwas melancholisch aussiehst. Magst du dazu etwas sagen?
Denny ist ein deutscher Künstler, den ich mal durch die Bildhauerin Ida Koitila kennengelernt habe. Kurz darauf besuchte er mich, um Porträts zu zeichnen, und hat eines davon Mikas Seelenraum genannt. Das Ergebnis hat unbestritten eine melancholische Stimmung. Ich denke aber nicht unbedingt, dass es meine Lebenseinstellung darstellt, da ich mich eigentlich als glücklichen Menschen empfinde. Häufig schöpfen Künstler_innen ihre Anregungen ja aus mehreren Quellen, auch ihren eigenen Lebenserfahrungen.
Was macht Mika Minetti im Jahr 2020 in seiner Freizeit, im Vergleich zu Mika Minetti im Jahr 2010?
Da hat sich nichts verändert.
Hast du einen bestimmten Traum, den du in Berlin verwirklichen möchtest?
Ich möchte versuchen, im Zusammenhang mit Veranstaltungen oder Ausstellungen Clubabende zu organisieren. Es wäre toll, wenn beispielsweise das Kollektiv Club La Persé aus Helsinki in Berlin auftreten würde.
Hast du neue kreative Projekte im Sinn?
Ich möchte das Residenzprogramm des Finnland-Instituts weiterentwickeln, aber ich stehe erst am Anfang meiner dreijährigen Tätigkeit, also erstmal sehen! Auf Finnisch gibt es ja die Redensart, dass ein Elefant nur stückchenweise verzehrt werden kann. Obwohl ich bestimmt keine Elefanten esse!
Könntest du kurz beschreiben, wie sich Berlin verändert hat, seit du das erste Mal hier warst?
Es war Sommer 1992 und man überlegte, wie man die Telefonnetze von West- und Ostberlin miteinander verbinden könnte. Es gab weder E-Mail noch Handys, Fax war das Ding – wobei einige hier immer noch das Fax bevorzugen; insofern hat sich nichts verändert.
Das Interview führte Pauli Orava.
Übersetzung ins Deutsche: Pauli Orava, Marion Holtkamp