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© Mediahub Helsinki

25JahreDialog: Interview mit Ilkka Ahtiainen

Der heutige Chefredakteur der Nachrichtensendungen des finnischen Privatsenders MTV3 hat in den Nullerjahren als Zeitungskorrespondent vier Jahre in Berlin-Schöneberg verbracht − zwischen „Otto Normalverbraucher“ und „System Bundesrepublik“.

Woher kommt Ihr Interesse an Deutschland und der deutschen Kultur?

Seit meiner Schulzeit interessiere ich mich sehr für die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Besonders faszinierend fand ich immer die deutsch-finnischen Beziehungen. Dazu kommt mein „altes“ Hobby, nämlich das Geigespielen und die Musik im Allgemein. Mit 14 Jahren habe ich mit einem Jugendorchester eine Konzertreise nach Celle gemacht. Apropos – meine Geige stammt aus Deutschland, sie ist 1926 in Markneukirchen im Vogtland gefertigt worden.

Wenn Sie an ihre Zeit in Deutschland zurückdenken: welches Deutschland-Erlebnis hat Sie besonders geprägt?

Kein Zweifel – der Alltag in Schöneberg, wo ich mit meiner Familie leben durfte. Es sind die kleinen Dinge: frische Brötchen, Frühling im März, die wunderbaren Spielplätze und Parks, wo wir viel Zeit mit unseren zwei Kindern verbracht haben.

Wie hat sich Ihre persönliche und berufliche Beziehung zu Deutschland über die Zeit entwickelt und verändert?

Ich gebe gerne zu, dass man in vier Jahren eine gewisse Expertise zu einem Land und auch zur Mentalität seiner Einwohner erlangen kann. Als Auslandskorrespondent hat man eine außergewöhnliche Möglichkeit, das Land aus verschiedenen Perspektiven und auf verschiedenen Ebenen zu beobachten. Durch das Alltagsleben bekommt man mit, wie Otto Normalverbraucher in Deutschland lebt. Durch den Beruf lernt man auch das „System Bundesrepublik“ kennen.

Sie arbeiteten vier Jahre lang als Auslandskorrespondent der wichtigsten finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat in Berlin. Wie würden Sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Medienlandschaften Deutschlands und Finnland beschreiben?

Da sind vor allem die Unterschiede zwischen einem großen Land und einem sehr kleinen. Rein finanziell macht es einen Unterschied, wenn eine Zeitung oder ein Fernsehsender potentiell ein Publikum von 100 Millionen Menschen hat, im Vergleich zu 5 Millionen in Finnland. Ich würde jedoch nicht sagen, dass ein deutsches Medium zwanzigmal bessere Arbeit leistet als ein finnisches. Auf jeden Fall bewundere ich die Menge und die Vielfalt der Qualitätsmedien in Deutschland.

Wie war es, in Deutschland Auslandskorrespondent zu sein? Welche Hürden gibt es dabei, in Deutschland zu arbeiten?

Sobald man Deutsch gut genug spricht, ist es relativ einfach, in Deutschland zu arbeiten. Ganz am Anfang muss man allerdings eine Tatsache verstehen und auch akzeptieren: Das deutsche System ist hierarchischer als das finnische. Wenn ich damals schriftlich oder per Telefon Interviewanfragen stellte, wurde mir schneller und wohlwollender geantwortet, nachdem ich mich selbst zum „Chefkorrespondent“ befördert hatte. Trotz dieser eher lustigen Erinnerung will ich auf keinen Fall klagen; der oberste Eindruck ist und bleibt, dass ich als finnischer Journalist überall sehr gut empfangen worden bin.

Sie absolvierten nach ihrem Studium ein Austauschprogramm für Junge Journalisten in Frankfurt am Main. Wie kam es dazu?

Mein damaliger Arbeitgeber Helsingin Sanomat hatte den Kontakt zum IJP − International Journalists´ Programmes −, und einige Kollegen und Kolleginnen hatten bereits vor mir daran teilgenommen. Ich habe also von meinem Arbeitgeber von dieser Möglichkeit erfahren. Das Programm war eine nützliche Einleitung zu meiner späteren Tätigkeit als Auslandkorrespondent, obwohl ich mir damals noch nicht das Ziel gesetzt hatte, eines Tages in Deutschland zu arbeiten.

Das Finnland-Institut in Deutschland wird dieses Jahr 25 Jahre alt. Welche Bedeutung haben Ihrer Ansicht nach Institutionen oder Vereine wie das Finnland-Institut für den deutsch-finnischen Dialog?

Wo fände Dialog ohne Vereine oder sonstige Institutionen statt? Auf Facebook oder Twitter?! Obwohl die Beziehung zwischen Finnland und Deutschland problemlos ist, braucht man Foren, wo Menschen aus beiden Ländern zusammenkommen und Gedanken und Ideen austauschen. Keine Frage, das Finnland-Institut spielt eine besondere Rolle als ein Verknüpfungspunkt zwischen Finnland und Deutschland.

Seit dem Abschied aus Berlin sind Sie als Mitglied des Vorstands des Finnland Instituts tätig. Woraus besteht diese Arbeit?

Soweit ich weiß, hatte Professor Seppo Hentilä, der viele Jahre im Vorstand des Instituts wirkte, mich empfohlen, wofür ich ihm natürlich sehr dankbar bin. Ich kenne Professor Hentilä seit meinem Studium, und später habe ich als Journalist seine Top-Expertise oft gebraucht.

 

Ilkka Ahtiainen ist seit 2012 Chef der Nachrichtenredaktion beim finnischen Privat-Fernsehsender MTV3. Nach einem Studium der Journalistik und Staatswissenschaften an der Universität Tampere begann er 2001 bei Finnlands wichtigster Tageszeitung Helsingin Sanomat. Dort war er zunächst Reporter im Ressort Politik, danach ab 2005 vier Jahre lang Auslandskorrespondent in Berlin und später Ressortleiter im Ressort Feature.

Die Fragen stellte Ravel Siirde.

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Das Finnland-Institut wird im Herbst 2019 25 Jahre alt. Als erstes Kultur- und Wissenschaftsinstitut Finnlands im deutschsprachigen Europa wurde es Ende September 1994 eröffnet. In diesen 25 Jahren war der Dialog zwischen den finnischen Partnern und den Akteuren vor Ort in Deutschland, Österreich und der Schweiz zentral in der Tätigkeit des Finnland-Instituts. Diesen Dialog haben im der Laufe der Jahre die vielen Personen und Persönlichkeiten ermöglicht, die sich im Namen des Finnland-Instituts für den Austausch zwischen den Ländern engagiert haben. In unserer Blog-Reihe #25JahreDialog kommen im Laufe des Jahres einige von ihnen zu Wort.

 

Ravel Siirde ist zurzeit Praktikant am Finnland-Institut in Deutschland und hat kürzlich seinen Bachelor-Abschluss in Staatswissenschaften an der Universität Erfurt gemacht.

Ravel Siirde toimii parhaillaan harjoittelijana Suomen Saksan-instituutissa. Hän on suorittanut valtiotieteiden kandidaatin tutkintonsa Erfurtin yliopistossa.

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