Ina Kelhä empfiehlt aus der Bibliothek des Finnland-Instituts: Hanna Marjut Marttila, Filmreif
„Nur manchmal, wenn wir nachts noch wach sind und zu zweit in meinem Zimmer sitzen, während unsere Eltern nebenan ihren versoffenen Freitagabend verbringen und Abba durch die Wohnung dudelt, gucken wir das Foto an, das auf dem Hof des Zufluchtshauses gemacht wurde. Irgendeine von den Sozialarbeiterinnen hat es gemacht. Wir lehnen an der Hauswand, haben uns gegenseitig den Arm um die Schulter gelegt und lachen in die Kamera. Ich lache so sehr, dass man fast alle meine Zähne sieht. Tarina streckt beim Lachen ein bisschen die Zunge raus, aber sie sieht richtig glücklich aus. Schön, das Foto.“
Torsten ist 15 Jahre alt, seine Eltern sind Alkoholiker und als dann auch noch seine 16-jährige Schwester Tarina ihm mitten in der Nacht ihre Schwangerschaft von einem Russen gesteht, bricht in seinem Leben erneut ein Riesenchaos aus. Weniger, weil er der Meinung war, dass der Vater der schlechteste Kandidat überhaupt sei, sondern es hatte mehr mit der Tatsache zu tun, dass sie bereits vor zwei Jahren ein Kind erwartet hatte. Die einzige Person, mit der er jetzt noch anständig reden kann, ist seine Familienhelferin Liisa.
Selten habe ich mit der Thematik eines Buches weniger zu tun gehabt als bei Hanna Marjut Marttilas Roman Filmreif. Dennoch hat es mir auf eine gewisse Art und Weise gefallen, da der Ich-Erzähler seine Geschichte erzählt, als würde er gerade mit einem reden. Zeitgleich werden seine Gedanken, wie er mit den verschiedenen Situationen umzugehen versucht, humorvoll und geschickt offengelegt. Trotz des Schwerpunktes auf der Alkoholkrankheit seiner Eltern lässt die Autorin jede einzelne Person dennoch sympathisch wirken, wobei der Alkoholkonsum keinesfalls verharmlost, sondern eher vermenschlicht wird. Man fängt an über „benachteiligte Menschen“, wie es Thorsten selber sagt, nachzudenken und sie zu verstehen.
Hanna Marjut Marttila wurde 1961 in Finnland geboren und fing bereits in den 90er-Jahren an zu schreiben. Jedoch ist ihr Jugendroman Filmreif (Originaltitel: Filmi poikki) das erste Buch, welches auch ins Deutsche übersetzt und im Übrigen schon erfolgreich auf der Leipziger Buchmesse 2011 vorgetragen wurde. In Finnland war dieser Roman sogar für die dort höchstmögliche Auszeichnung eines Jugendbuches nominiert, nämlich den Preis Finlandia Junior.
Autorin: Ina Kelhä, vormals Schülerpraktikantin am Finnland-Institut