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  • Datum: 01.12.2014 - 31.12.2014
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Monatstipp Dezember 2014

event photo

Laura Stolz empfiehlt aus der Bibliothek des Finnland-Instituts den Bildband Carried by Light der finnischen Fotografin Marja Pirilä.

Carried by Light, veröffentlicht 2014, präsentiert Werke der Künstlerin Marja Pirilä aus den letzten 30 Jahren. Auf 246 Seiten werden die Ergebnisse von neun unterschiedlichen Projekten gezeigt. Bei diesen handelt es sich größtenteils um Fotos, die durch eine Camera obscura aufgenommen wurden. Die einleitenden Texte zu jedem Projekt, in denen Marja Pirilä erklärt, wie sie auf eine bestimmte Technik gestoßen ist und wie sie diese angewandt hat, und ein Essay von Jyrki Siukonen, Künstler und Forscher an der Kunsthochschule in Helsinki, wurden auf Englisch und Finnisch verfasst.

Marja Pirilä beschäftigt sich in ihrem künstlerischen Schaffen hauptsächlich mit der Camera Obscura. Die Camera obscura ist ein dunkler Raum mit einem Loch, durch welches Licht einfällt und ein Bild kopfüber an die entgegengesetzte Wand projiziert. Kleinere Kameras, z.B. aus Filmdosen gebaute, werden als Lochkamera bezeichnet. Bei dieser Art von Fotografie − wie auch bei „normaler“ Fotografie − spielt Licht eine außergewöhnlich wichtige Rolle, da das Foto nur durch die Länge des Lichteinfalls bestimmt wird. Die Künstlerin stammt ursprünglich aus Rovaniemi, wohnt jedoch inzwischen in Tampere. Ihr Interesse am Spielen mit Licht ist somit nichts Ungewöhnliches, da das Leben der Menschen im Norden Finnlands tagtäglich von den Lichtverhältnissen beeinflusst wird.

In diesem Buch werden u.a. Marja Piriläs Projekte Interior / Exterior, Speaking House, Milavida und I am vorgestellt.

Die Bilderreihe Interior / Exterior (im finnischen Original Sisätila / Ulkotila; dt. Inneres / Äusseres) – welche mich das erste Mal auf Marja Piriläs Arbeiten aufmerksam machte – besteht aus Porträts, die mit der Camera obscura in Finnland, Norwegen, Italien und Frankreich aufgenommen wurden. Auf jedem Foto befinden sich eine oder zwei Personen, die in ihrem eigenen Zimmer fotografiert wurden. Für das Foto wurden die Fenster des Raumes komplett abgedunkelt bis auf ein winziges Loch, welches das Tageslicht hinein lässt. Durch dieses Verfahren wird der Raum in eine riesige Camera obscura verwandelt. Durch diese Technik wird die Sicht vom Fenster hinaus kopfüber an die gegenüberliegende Wand in den Raum projiziert. Durch eine lange Belichtungszeit einer „normalen“ Kamera, die sich im Raum befindet, entsteht ein fast mystisch wirkendes Bild. Die Porträtierten wurden meistens auf ihren Betten liegend und mit geschlossenen Augen fotografiert und scheinen somit zu schlafen.
Speaking House (fi. Puhuva talo; dt. Sprechendes Haus) ist eine Reihe von Bildern, die auch mit einer Camera obscura aufgenommen wurde. Jedoch steht hier eine seit mehreren Jahren leerstehende Klinik für Psychatrie im Mittelpunkt der Reihe. Die Fotos haben etwas Mysteriöses an sich, da die Abbildungen der Natur von Außen nach Innen auf die Wände projiziert werden, welche durch die abblätternde Farbe und Tapete förmlich zerrissen werden. Auch das Projekt Milavida dreht sich um ein leerstehendes Gebäude, welches sich in Tampere befindet. Die Fotos des guterhaltenen Gebäudes erzählen die Geschichte der Familie, die dort lebte.
Bei einem anderen Projekt, genannt Herbarium, dreht sich alles um Pflanzen. Die farbenfrohen und abstrakten Bilder laden den Betrachter in eine andere Welt zum Träumen ein. Marja Pirilä spielt auch hier wieder mit Licht und Formen. Auch bei der Serie Like a Breath in Light (fi. Kuin valon hengittämistä; dt. Wie der Atem des Lichts) handelt es sich um farbenfrohe Panoramafotos. Die Aufnahmen stammen vom See Näsijärvi in Tampere und wurden zu unterschiedlichen Tageszeiten und unter diversen Lichtkonditionen aufgenommen. Bemerkenswert ist hierbei die Methode der Künstlerin: Die Lochkamera lag während der Aufnahme auf ihrem Schoß. Während der langen Belichtungszeit wurde das Foto von der Bewegung des Wassers, der Wolken und Marja Piriläs Atem bestimmt.
Die Fotoserie Pinhole photographs (fi. Neulanreikävalokuvia; dt. Lochkamerafotos) scheint, als wären die Aufnahmen aus der Sicht von Insekten aufgenommen worden, da die meisten Fotos aus der Froschperspektive geschossen wurden und gen Himmel gerichtet sind. Die Schwarzweißfotos zeigen detaillierte Aufnahmen von Blättern, bei denen sich der Betrachter unter der Pflanze zu befinden scheint. Die Methode der Lochkamera ist die einfachste Variante der Camera obscura. Fotografiert wird ohne Objektiv, nur mit Hilfe der Einstrahlung des Lichts durch ein winziges Loch. Marja Pirilä selbst schreibt, dass das Ergebnis bei der Lochkamera immer eine Überraschung ist, da der Fotograf bei dieser Methode nur die Länge der Belichtungszeit bestimmt und sonst nur passiv warten muss, bis das Bild entstanden ist.
I am (fi. Minä olen; dt. Ich bin) beschäftigt sich wieder mit Porträts. Die Schwarzweißaufnahmen stammen aus einem Zeitraum von acht Jahren, in dem Marja Pirilä die Kinder einer Schulklasse in Tampere einmal jährlich ablichtete. Mit unterschiedlichen Methoden wie der Überlagerung der Fotos entstand eine außergewöhnliche Studie des Erwachsenwerdens dieser Schüler.
Neben Fotos hat Marja Pirilä auch mit Installationen gearbeitet, die sich mit der Camera obscura auseinandersetzen. Diese Werke kann man auch in Carried by Light bewundern.
Alles in Allem lädt Marja Piriläs Buch durch seine interessanten, vielfältigen und oftmals surrealen Werke den Betrachter zum Träumen in eine andere Welt ein. Die oftmals farbenfrohen Bilder, aber auch die außergewöhnlichen Schwarzweißaufnahmen, regen Hobbyfotografen zum Experimentieren mit der eigenen Kamera an. Um die ganze Spannweite des Werkes erfassen zu können sowie die Geschichten hinter den Werken zu erfahren lohnt sich ein Besuch in der Bibliothek des Finnland-Instituts.

Autorin: Laura Stolz, freie Praktikantin am Finnland-Institut

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