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  • Datum: 01.05.2014 - 31.05.2014
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Monatstipp Mai 2014

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Janette Salminen empfiehlt aus der Bibliothek des Finnland-Instituts die folgende Graphic Novel: Ville Tietäväinen, Unsichtbare Hände.

Unsichtbare Hände (Finnisches Original Näkymättömät kädet) ist eine starke Erzählung eines Marokkaners, der wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten nach Europa flieht. Die Hauptfigur Rashid lässt seine ganze Familie hinter sich: Frau Amina, Tochter Amal und seine Eltern. Alle haben große Hoffnungen an ihn, weil Europa etwas zu bieten hat, was man in Marokko nicht erreichen kann. Oder wie der Menschenhändler sagt: „Habt ihr die Mauern gesehen, die Europa um sich zieht und mit Stacheldraht und Glassplittern befestigt? Wenn etwas so geschützt wird, muss es wertvoll sein, oder?“ Da die Überfahrt den 2-Jahres Verdienst einer Person kostet, müssen die Flüchtlinge für die Reise sogar ihre Familie pfänden und Schulden machen. Schulden, die, wie den Flüchtlingen versprochen wurde, durch den Tod erlöschen.

Als Rashid dann nach einer schweren Seefahrt in Spanien ankommt, ist nichts so wie es versprochen wurde. Nachdem er von den Grenzbeamten verprügelt wurde, wird er in ein Gewächshaus geschleppt, in dem er die große Ehre hat, Pestizide auf die Pflanzen zu spritzen. Da die Schutzkleidung und die Maske ein ganzes Tagesgehalt für den Arbeiter kosten würden, arbeiten viele ohne jeglichen Schutz gegen die Giftstoffe. Die ständige Angst vor der Gewalt und dem Krankwerden umkreisen die Flüchtlinge. Aber beklagen kann man sich nicht: „Sei zufrieden mit dem was du hier hast, oder es bekommt jemand, der dankbarer ist.“

Als Rashid feststellt, dass das Leben an diesem Ort nie besser sein wird, flieht er nochmals und versucht diesmal sein Glück in Barcelona. Da bekommt er auf den Straßen Arbeit als Verkäufer illegaler Waren. Er muss, genau wie früher, wegen der Polizisten immer ein Auge offen halten. Die schicken einen sonst zurück nach Marokko, oder schlimmeres. Und so geht das Leben im Schatten immer weiter.

Ville Tietäväinen hat sich fünf Jahre lang mit diesem Werk beschäftigt. Er ist nach Marokko und Spanien gereist und  hat dort mit den Flüchtlingen, den Grenzbeamten und anderen Beteiligten gesprochen. Und das ist auch in der Graphic Novel, die eine Mischung aus Comic und Roman ist, gut zu sehen. Die feinsten Details, wie die aus den leeren Flaschen gemachte Rettungsweste oder das eigentlich für Tiere gedachte Shampoo, womit sich die Arbeiter aus dem Gewächshaus waschen, sind sehr beeindruckend. Auch die Abbildungen sind von sehr hoher Qualität und die gräulichen Farben passen perfekt zur Erzählung. In diesem Buch ist wirklich alles durchdacht! Außerdem vermittelt Alexandra Stangs Übersetzung hervorragend die unterschiedlichen Sprachstile der Figuren.

Obwohl das Buch aus der Sicht des Flüchtlings erzählt, beschreibt es auch das Leben „der anderen Seite“. Die Grenzbeamten, die Kriminellen und die Menschenrechtsaktivisten werden ebenfalls dargestellt. Die Religion und die Rolle Gottes sind ein Thema, das im Buch sehr präsent ist. Wem sollte Gott helfen und wie weit von den religiösen Regeln kann man noch abweichen, bevor Gott einen deshalb verurteilt?

Das Thema der Graphic Novels ist sehr traurig und dramatisch, aber ich kann das Buch trotzdem allen Erwachsenen empfehlen. In dem Buch werden Tatsachen dargestellt, die die meisten von uns wahrscheinlich im Hinterkopf eigentlich schon wissen, denen wir aber nicht aktiv begegnen möchten. Diese unsichtbaren Händen, die unsere heutige Lebenshaltung in vieler Hinsicht ermöglichen, verdienen es auch endlich gesehen zu werden.

Die Graphic Novel Unsichtbare Hände wird am 22.5. um 19 Uhr im Finnland-Institut vorgestellt. An der Diskussionsrunde über die  Entstehung und die hochaktuellen Themen des Buches beteiligen sich der Autor Ville Tietäväinen und Julia Brilling, Referentin Heimatkunde Migrationspolitisches Portal / Referat Migration & Diversity der Heinrich-Böll-Stiftung. Der freie Journalist Thomas Hummitzsch (Tagesspiegel, die Welt, den Rolling Stone, Betreiber des Blogs www.intellectures.de, leitender Redakteur des Newsletters \”Migration und Bevölkerung\” www.migration-info.de ) moderiert die Veranstaltung.

Der finnische Comicautor und Illustrator Ville Tietäväinen ist im Mai Stipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin (LCB). Diesbezüglich findet am 13. Mai um 20 Uhr die Ausstellungseröffnung und Buchpremiere im LCB statt. Zudem wird am 26. Mai um 19:30 Uhr ein Film gezeigt, dem sich ein Gespräch mit Ville Tietäväinen anschließt.

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