Bastian Gies empfiehlt aus der Bibliothek des Finnland-Instituts: Kalevala, nacherzählt von Tilman Spreckselsen mit Illustrationen von Kat Menschik.
„Die etwas andere Rezension“
2017 ist ein bedeutendes Jahr für die Finnen. Finnland feiert 100 Jahr staatliche Unabhängigkeit. Passend dazu schaffe ich es endlich, das Kalevala, Finnlands Nationalepos, zu lesen. Nicht das Original, dafür reichen meine Finnischkenntnisse nicht, sondern die Nacherzählung von Tilman Spreckelsen, die durch Illustrationen von Kat Menschik unterstützt wird. Voller Spannung stürzte ich mich in die Geschichten über Väinämöinen, Ilmarinen und Lemminkäinen, die drei Protagonisten. Wer an dieser Stelle eine Zusammenfassung des Kalevala erwartet, wird enttäuscht. Denn denjenigen, die mehr erfahren wollen über die Geschichten, die Elias Lönnrot in seinem bedeutenden Werk niedergeschrieben hat, rate ich, selbst in die von Lönnrot geschaffene Welt des Kalevala einzutauchen.
Meine Rezension soll stattdessen dazu dienen, all denjenigen, die, ähnlich wie ich, nicht über ausreichend Kenntnisse der finnischen Sprache verfügen, um das Originalwerk zu lesen, eine Empfehlung für eine deutsche Version des Kalevala an die Hand zu geben. Natürlich richtet sich meine Rezension auch an alle anderen, von Sagenliebhabern bis hin zu Freunden nordischer Literatur, die sich gern mit diesem Schatz finnischer Kultur auseinandersetzen möchten und nach einem geeigneten Werk in deutscher Sprache suchen. Ihnen allen kann ich Tilman Spreckelsens Nacherzählungen wärmstens empfehlen.
Mit seiner Art der Nacherzählung schafft es Tilman Spreckelsen, die Leser in seinen Bann zu ziehen. Das führte bei mir letztlich dazu, dass ich seine Nacherzählung des Kalevala in einem durchgelesen habe. Diese Tatsache alleine spricht schon Bände und veranlasst einen zu dem Gedanken, nicht mehr viele Worte über die Qualität des Werkes verlieren zu müssen. Dennoch möchte ich Ihnen an dieser Stelle kurz erläutern, wieso mich Tilman Spreckelsens Nacherzählung begeistert hat. Zum einen liegt es an der schon angesprochenen Art der Nacherzählung. Im Gegensatz zu Lönnrots Originalwerk verzichtet Spreckelsen auf eine Erzählung in Versen und greift stattdessen auf die Prosa als Erzählform zurück, so dass „sein“ Kalevala für jeden gut verständlich sein sollte. Aber trotz dieser Vereinfachung der Sprache verliert seine Kalevala-Nacherzählung nicht an Stahlkraft. Zum anderen beeindruckt Spreckelsens Werk durch die Illustrationen von Kat Menschik, die das Werk bereichern und dem Text zusätzlich Gehalt verleihen.
Trotz all dieses Lobes gibt es einen Kritikpunkt an Spreckelsens Werk. Inmitten seiner Kalevala-Nacherzählung finden sich immer wieder Kapitel, in denen Spreckelsen auf amüsante Art und Weise von seinen Reiseerfahrungen berichtet, als er sich zusammen mit Kat Menschik nach Finnland begab, um auf lönnrotsche Spurensuche zu gehen. Diese Berichte stellen eine fantastische Idee dar, haben aber zwei Schwachstellen. Erstens hätte ich mir diese Berichte lieber gesammelt am Ende des Werkes durchgelesen, damit der Lesefluss des Kalevala selbst nicht unterbrochen wird. Zweitens hätten diese Berichte an der ein oder anderen Stelle Hinweise geben können, an welche anderen Sagen, Mythen oder Geschichten Lönnrots Werk erinnert oder welche anderen Künstler sich wiederum von Lönnrots Werk haben inspirieren lassen, man denke beispielsweise an J.R.R. Tolkien mit seiner Herr der Ringe-Trilogie.
Abschließen möchte ich diese Rezension in der Sprache der Menschen, deren Heimat wir dieses Jahr feiern und deren Heimat zugleich Ursprung einer fantastischen Sage ist. In diesem Sinne:
Hauskoja lukuhetkiä Elias Lönnrotin Kalevalan Väinämöisen ja kumppanien seikkailujen parissa! – Viel Spaß beim Lesen der Abenteuer von Väinämöinen und den anderen Kalevala-Persönlichkeiten, frei nach Elias Lönnrot!
Autor: Bastian Gies, freier Praktikant am Finnland-Institut
Kalevala. Eine Sage aus dem Norden wurde im Dezember 2015 am Finnland-Institut präsentiert.