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Auf den Pott gebracht

Ich bin ein empfindlicher Mensch, und das Allerempfindlichste an mir ist der Magen.

Aus diesem Grund war die Toilette für mich schon immer ein ganz besonderes Örtchen. Als ich jung war, plagte mich der harte Magen immerzu, so dass ich genug Zeit hatte, mir auf der Toilette den Kopf zu zerbrechen. Das kennen recht viele weitere Menschen, und manche von ihnen schreiben die Gedanken, die ihnen bei der Gelegenheit einfallen, irgendwo im stillen Örtchen auf. Diese Geschichten können manchmal auch ganz lustig sein. Die schlimmsten bzw. die besten von ihnen bleiben in Erinnerung.

Auf der Toilette kam mir auch die Idee, dass es doch interessant sein könnte, sich etwas genauer mit solchen Texten auseinanderzusetzen. So kam es, dass ich meine Magisterarbeit über die Kritzeleien auf Toilettenwänden schrieb. Dabei ging es vor allem um den Aufbau und den Inhalt des Geschriebenen. Auf revolutionäre Gedanken bin ich dabei nicht gekommen, doch auf ein paar Ideen immerhin.

Für meine Familie ist meine persönliche Geschichte mit der Verstopfung eine unerschöpfliche Quelle der Belustigung. Und das bis heute, wo mein Magen doch gar keine Probleme mehr bereitet! So etwa gab es bei meiner Abschlussfeier „natürlich“ eine Toilettenwand, auf die jeder schreiben durfte. Meine stets stichelnde kleine Schwester kritzelte in ihrer vertrauten Schrift:

„Mist, schon wieder streikt der Magen“

In meinen Augen war das einfach doof, doch beim nächsten Gang fiel mir ein Kommentar auf:

BEHAUPTJANICHTICHHÄTEESNIHT VERGISES.

Auch bei dieser Schrift und bei der nicht ganz so treffsicheren Rechtschreibung konnte es keinen Zweifel geben: Der Text stammte von meiner siebenjährigen Nichte, die bis zu diesem Fest noch nie in ihrem Leben Toilettengeschreibsel gesehen hatte.

Der Inhalt des Textes war keineswegs neu. Leider plagt Verstopfung die meisten Kinder in meiner Familie. Doch lustig fand ich vor allem die Form und den Ton des Textes. Darin kamen gerade die allerinteressanten Merkmale zum Vorschein, die auch sonst in meiner Studie auftauchten: Zum einen war der Text von der Form her ein Dialog: eine Reaktion auf eine Nachricht von jemand anderem. Zum anderen wird der Verfasser des ersten Textes mit Du angesprochen, obwohl er nicht anwesend und dem Zweiten auch nicht bekannt ist. Und schließlich ist der erste Schreiber ziemlich polemisch, wenn nicht gar konfliktsüchtig.

Später habe ich mal versucht, meine Nichte auf den Text anzusprechen, doch sie stritt alles ab, regte sich sogar etwas auf. Ich hatte nämlich gegen das aller heiligste Prinzip verstoßen, das der Anonymität. Es war hochpeinlich – doch gleichzeitig war ich als Tante stolz wie Bolle. Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass jemand die Normen eines neuen Texttypus so schnell lernte.

Kinder sprechen und schreiben die Wahrheit. Es ist kein Wunder, dass so viele Menschen sich auf der Toilette verewigen wollen. Es gibt so vieles, was man nicht direkt aussprechen kann, doch es erleichtert einen ungemein, unangenehme Dinge irgendwo niederzuschreiben.

Und genau dazu dient die Toilette ja: zur Erleichterung.

————–

Anne Norema unterrichtet Finnisch als Fremdsprache in Helsinki.

Sie hat sich bei ihrer Abschlussarbeit mit Texten in den Toiletten des Hauptgebäudes der Universität Helsinki auseinandergesetzt.

Bis zum 6.11.2014 wird im Finnland-Institut in Deutschland, Berlin, die Ausstellung “Buchstäblich” gezeigt, die u.a. auch Kunst im Raum, speziell in sanitären Anlagen, zeigt.

Übersetzung des Blogtextes aus dem Finnischen: Suvi Wartiovaara

Foto: Lena ShkodaOlen herkkä ja kaikkein herkintä minussa on vatsa.

Sen tähden vessa on aina ollut minulle erityinen paikka. Nuorempana kärsin kovasta vatsasta, joten vessassa ehti miettiä kaikenlaista. Moni muukin miettii, ja varsin moni kirjoittaa mietteensä jonnekin pöntön lähistölle. Ne voi olla hassuja juttuja ne vessojen jutut. Pa(ra)himmat jäävät mieleen vaikka kuinka pitkäksi aikaa.

Vessassa keksin senkin, että näitä tekstejä olisi kiinnostavaa tutkia lähemmin. Niinpä kirjoitin maisterinopintojen lopputyöni vessakirjoituksista. Tein huomioita kirjoitusten rakentumisesta ja sisällöistä. Mitään kovin mullistavaa en keksinyt, mutta jotain kuitenkin.

Oma ummetushistoriani on perheelleni ehtymätön riemun lähde. Yhä vielä vaikka vatsa toimii mainiosti! Valmistujaisissani vessassa oli tietysti seinä, johon sai kirjoittaa. Piikikäs pikkusisko kirjoitti seinään tutulla käsialalla:

Hitto, kun on taas vatsa kovalla.

Minusta se oli ihan tyhmä juttu, kunnes seuraavalla käynnillä huomasin, että kirjoitusta oli kommentoitu.

Alla luki: ÄLÄYRITÄ ETEIMULASITOIS KUVITELEVAA.

Tästäkään haparoivasta käsialasta ja vielä haparoivammasta oikeinkirjoituksesta ei voinut erehtyä. Kirjoittaja oli seitsenvuotias siskontyttö, joka ei ennen näitä juhlia ollut ikinä nähnyt vessakirjoituksia.

Kirjoituksen sisältö ei ollut uusi tieto. Lapsuuden ummetus kiertää valitettavasti suvussa. Tekstin muoto ja sävy sen sijaan huvittivat minua. Siinä oli juuri kaikkein kiinnostavimmat piirteet, joita tutkielmani aineistossa esiintyi paljon: Ensinnäkin kirjoitus on dialoginen; se on reaktio toisen ihmisen viestiin. Toiseksi se puhuttelee toista sinuna, vaikka tämä ei ole läsnä eikä tunnettu. Ja kaiken huipuksi aloitteleva kirjoittaja on sanoissaan kärkäs, suorastaan konfliktinhakuinen.

Yritin haastatella siskontyttöä myöhemmin, mutta hän kielsi kirjoituksensa, ja ehkä vähän suuttui. Tulin rikkoneeksi tälle tekstilajille kenties kaikkein pyhintä periaatetta – anonyymiutta. Olin nolo mutta ylpeä täti. En ole ikinä nähnyt, että joku oppisi uuden tekstilajin normiston näin nopeasti.

Lapsen suussa ja kynässä on totuus. Ei ole ihme, että ihmiset kirjoittavat vessaan. Kaikkia asioita ei ole helppo sanoa suoraan, mutta silti ikävän asian ulospäästäminen keventää omaa oloa.

Ja sitähän vessa on muutenkin: helpotuksen paikka.

————–

Anne Norema on Helsingissä asuva suomi toisena kielenä -opettaja. 
Hän syventyi omassa lopputyössään Helsingin yliopiston päärakennuksen vessakirjoituksiin.

Berliinin Suomi-instituutissa on 6.11.2014 asti Buchstäblich–  eli Kirjaimellisesti -niminen näyttely, jonka osana on erityisesti saniteettitiloihin suunniteltua tilataidetta.

Annen valokuva: Lena ShkodaIch bin ein empfindlicher Mensch, und das Allerempfindlichste an mir ist der Magen.

Aus diesem Grund war die Toilette für mich schon immer ein ganz besonderes Örtchen. Als ich jung war, plagte mich der harte Magen immerzu, so dass ich genug Zeit hatte, mir auf der Toilette den Kopf zu zerbrechen. Das kennen recht viele weitere Menschen, und manche von ihnen schreiben die Gedanken, die ihnen bei der Gelegenheit einfallen, irgendwo im stillen Örtchen auf. Diese Geschichten können manchmal auch ganz lustig sein. Die schlimmsten bzw. die besten von ihnen bleiben in Erinnerung.

Auf der Toilette kam mir auch die Idee, dass es doch interessant sein könnte, sich etwas genauer mit solchen Texten auseinanderzusetzen. So kam es, dass ich meine Magisterarbeit über die Kritzeleien auf Toilettenwänden schrieb. Dabei ging es vor allem um den Aufbau und den Inhalt des Geschriebenen. Auf revolutionäre Gedanken bin ich dabei nicht gekommen, doch auf ein paar Ideen immerhin.

Für meine Familie ist meine persönliche Geschichte mit der Verstopfung eine unerschöpfliche Quelle der Belustigung. Und das bis heute, wo mein Magen doch gar keine Probleme mehr bereitet! So etwa gab es bei meiner Abschlussfeier „natürlich“ eine Toilettenwand, auf die jeder schreiben durfte. Meine stets stichelnde kleine Schwester kritzelte in ihrer vertrauten Schrift:

„Mist, schon wieder streikt der Magen“

In meinen Augen war das einfach doof, doch beim nächsten Gang fiel mir ein Kommentar auf:

BEHAUPTJANICHTICHHÄTEESNIHT VERGISES.

Auch bei dieser Schrift und bei der nicht ganz so treffsicheren Rechtschreibung konnte es keinen Zweifel geben: Der Text stammte von meiner siebenjährigen Nichte, die bis zu diesem Fest noch nie in ihrem Leben Toilettengeschreibsel gesehen hatte.

Der Inhalt des Textes war keineswegs neu. Leider plagt Verstopfung die meisten Kinder in meiner Familie. Doch lustig fand ich vor allem die Form und den Ton des Textes. Darin kamen gerade die allerinteressanten Merkmale zum Vorschein, die auch sonst in meiner Studie auftauchten: Zum einen war der Text von der Form her ein Dialog: eine Reaktion auf eine Nachricht von jemand anderem. Zum anderen wird der Verfasser des ersten Textes mit Du angesprochen, obwohl er nicht anwesend und dem Zweiten auch nicht bekannt ist. Und schließlich ist der erste Schreiber ziemlich polemisch, wenn nicht gar konfliktsüchtig.

Später habe ich mal versucht, meine Nichte auf den Text anzusprechen, doch sie stritt alles ab, regte sich sogar etwas auf. Ich hatte nämlich gegen das aller heiligste Prinzip verstoßen, das der Anonymität. Es war hochpeinlich – doch gleichzeitig war ich als Tante stolz wie Bolle. Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass jemand die Normen eines neuen Texttypus so schnell lernte.

Kinder sprechen und schreiben die Wahrheit. Es ist kein Wunder, dass so viele Menschen sich auf der Toilette verewigen wollen. Es gibt so vieles, was man nicht direkt aussprechen kann, doch es erleichtert einen ungemein, unangenehme Dinge irgendwo niederzuschreiben.

Und genau dazu dient die Toilette ja: zur Erleichterung.

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Anne Norema unterrichtet Finnisch als Fremdsprache in Helsinki.

Sie hat sich bei ihrer Abschlussarbeit mit Texten in den Toiletten des Hauptgebäudes der Universität Helsinki auseinandergesetzt.

Bis zum 6.11.2014 wird im Finnland-Institut in Deutschland, Berlin, die Ausstellung “Buchstäblich” gezeigt, die u.a. auch Kunst im Raum, speziell in sanitären Anlagen, zeigt.

Übersetzung des Blogtextes aus dem Finnischen: Suvi Wartiovaara

Foto: Lena ShkodaIch bin ein empfindlicher Mensch, und das Allerempfindlichste an mir ist der Magen.

Aus diesem Grund war die Toilette für mich schon immer ein ganz besonderes Örtchen. Als ich jung war, plagte mich der harte Magen immerzu, so dass ich genug Zeit hatte, mir auf der Toilette den Kopf zu zerbrechen. Das kennen recht viele weitere Menschen, und manche von ihnen schreiben die Gedanken, die ihnen bei der Gelegenheit einfallen, irgendwo im stillen Örtchen auf. Diese Geschichten können manchmal auch ganz lustig sein. Die schlimmsten bzw. die besten von ihnen bleiben in Erinnerung.

Auf der Toilette kam mir auch die Idee, dass es doch interessant sein könnte, sich etwas genauer mit solchen Texten auseinanderzusetzen. So kam es, dass ich meine Magisterarbeit über die Kritzeleien auf Toilettenwänden schrieb. Dabei ging es vor allem um den Aufbau und den Inhalt des Geschriebenen. Auf revolutionäre Gedanken bin ich dabei nicht gekommen, doch auf ein paar Ideen immerhin.

Für meine Familie ist meine persönliche Geschichte mit der Verstopfung eine unerschöpfliche Quelle der Belustigung. Und das bis heute, wo mein Magen doch gar keine Probleme mehr bereitet! So etwa gab es bei meiner Abschlussfeier „natürlich“ eine Toilettenwand, auf die jeder schreiben durfte. Meine stets stichelnde kleine Schwester kritzelte in ihrer vertrauten Schrift:

„Mist, schon wieder streikt der Magen“

In meinen Augen war das einfach doof, doch beim nächsten Gang fiel mir ein Kommentar auf:

BEHAUPTJANICHTICHHÄTEESNIHT VERGISES.

Auch bei dieser Schrift und bei der nicht ganz so treffsicheren Rechtschreibung konnte es keinen Zweifel geben: Der Text stammte von meiner siebenjährigen Nichte, die bis zu diesem Fest noch nie in ihrem Leben Toilettengeschreibsel gesehen hatte.

Der Inhalt des Textes war keineswegs neu. Leider plagt Verstopfung die meisten Kinder in meiner Familie. Doch lustig fand ich vor allem die Form und den Ton des Textes. Darin kamen gerade die allerinteressanten Merkmale zum Vorschein, die auch sonst in meiner Studie auftauchten: Zum einen war der Text von der Form her ein Dialog: eine Reaktion auf eine Nachricht von jemand anderem. Zum anderen wird der Verfasser des ersten Textes mit Du angesprochen, obwohl er nicht anwesend und dem Zweiten auch nicht bekannt ist. Und schließlich ist der erste Schreiber ziemlich polemisch, wenn nicht gar konfliktsüchtig.

Später habe ich mal versucht, meine Nichte auf den Text anzusprechen, doch sie stritt alles ab, regte sich sogar etwas auf. Ich hatte nämlich gegen das aller heiligste Prinzip verstoßen, das der Anonymität. Es war hochpeinlich – doch gleichzeitig war ich als Tante stolz wie Bolle. Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass jemand die Normen eines neuen Texttypus so schnell lernte.

Kinder sprechen und schreiben die Wahrheit. Es ist kein Wunder, dass so viele Menschen sich auf der Toilette verewigen wollen. Es gibt so vieles, was man nicht direkt aussprechen kann, doch es erleichtert einen ungemein, unangenehme Dinge irgendwo niederzuschreiben.

Und genau dazu dient die Toilette ja: zur Erleichterung.

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Anne Norema unterrichtet Finnisch als Fremdsprache in Helsinki.

Sie hat sich bei ihrer Abschlussarbeit mit Texten in den Toiletten des Hauptgebäudes der Universität Helsinki auseinandergesetzt.

Bis zum 6.11.2014 wird im Finnland-Institut in Deutschland, Berlin, die Ausstellung “Buchstäblich” gezeigt, die u.a. auch Kunst im Raum, speziell in sanitären Anlagen, zeigt.

Übersetzung des Blogtextes aus dem Finnischen: Suvi Wartiovaara

Foto: Lena Shkoda

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