AUSSTELLUNG, kuratiert von Dr. Sylvia Metz.
Fast jede(r) hat eine Familie. Für viele ist sie sogar Beruf, oft zusätzlich zum Erwerbsberuf. Laura Kärki, geboren 1978 in Lahti/Finnland, und Niina Lehtonen Braun, geboren 1975 in Helsinki, thematisieren in ihren Werken durch die Beschäftigung mit familiären Beziehungen wichtige allgemeingültige und gesellschaftsrelevante Fragen.
Familie gibt Halt und Geborgenheit, bedeutet bisweilen aber auch eine Last, und nicht selten lauern hinter der schönen äußeren Fassade in Jahrzehnten entstandene Abgründe. Kärki und Lehtonen Braun befragen in Family Affairs eigene und fremde Familienstrukturen und deren Hintergründe in Skulpturen und Gemälden, raumgreifenden Installationen und kleinformatigen Zeichnungen. Einen zentralen Schwerpunkt dabei bildet die Rolle der Frau als Künstlerin innerhalb von familiären Beziehungen. Sie untersuchen die vermeintliche Unvereinbarkeit des Mutter- und Künstlerinnen-Daseins, die sich als Vorurteil seit Jahrzehnten in der Gesellschaft hält. Und tatsächlich: erfolgreiche Künstlerinnen mit Kindern sind leider auch 2021 noch immer eine Rarität.
Kärki und Lehtonen Braun stellen sich diesem Thema mit Energie und Humor. Ihre Arbeiten verbinden Persönliches, wie ihre eigenen Bedürfnisse als Frau oder die Beziehung zu einzelnen Familienmitgliedern, die Erwartungen der Gesellschaft und religiöse Ansichten miteinander. Zugleich offenbaren sie, wie schonungslos unsere Gesellschaft und der Kunstmarkt mit Künstlerinnen umgehen, die Kinder haben. Weitere wichtige Themen im Werk beider Künstlerinnen, die sich auf familiäres Zusammenleben beziehen, sind die soziale Entfremdung zwischen engen Verwandten, Tabuthemen wie Alkoholismus und Alterseinsamkeit und Nachkriegstraumata des Zweiten Weltkriegs. Die Untersuchung dieser Themen ist für beide Künstlerinnen und ihre Fragen essentiell. Wichtig ist ihnen dabei immer, die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit dem Privaten vom Einzelschicksal zurück ins Öffentliche zu überführen, um einen Diskurs darüber anzustoßen und somit eine gesellschaftsrelevante Veränderung zu ermöglichen.
Die Ausstellung will anhand von ausgewählten Werken beider Künstlerinnen diesen und weiteren Fragen nachgehen und kleine wir große Besucherinnen und Besucher einladen, die eigene familiäre Situation zu reflektieren. Sie will auch die Frage stellen: Was bedeutet Familie heute? Was bedeutet Familie für KünstlerInnen in Finnland und in Deutschland? Spielen Traumata des Krieges oder gesellschaftliche Veränderungen des 20. Jahrhunderts überhaupt noch eine Rolle in der eigenen Familie? Wie ist man selbst innerhalb eines Familienverbundes verwurzelt, wie löst man dort Probleme?
Begleitprogramm:
20.11. 15 Uhr | Künstlerinnengespräch: Laura Kärki und Niina Lehtonen Braun im Gespräch mit Julia Rosenbaum
12.12. 11 Uhr | Mein Tabulu. Lesung mit Paula Kuitunen und Sören Kuitunen-Paul für Kinder ab fünf Jahren