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© Finnland-Institut/Niklas Willstedt. Im Hintergrund ein Werk der Künstlerin Anna Retulainen, Visiting Art/ist am Finnland-Institut.

”Es gehört auch dazu, dass man unabhängig wird, Widrigkeiten überwindet und herausfordernde Situationen durchlebt”

Wie ist das eigentlich, am Finnland-Institut in Deutschland ein Volontariat zu absolvieren? Maija Yrjä erzählt in ihrem Abschieds-Blogtext von den Höhepunkten, Herausforderungen und Erfahrungen ihres Volontariatsjahres – und vor allem davon, was von so einer Auslandserfahrung letztendlich bleibt.

Ein ganzes Volontariatsjahr in nur wenigen Worten zusammenzufassen, ist eigentlich kaum möglich. Ich versuche es trotzdem; mir kommen die schillerndsten Farben in den Sinn, und eine Formulierung klingt noch klischeehafter als die andere. Wie kann ich von all dem erzählen: dem irren Gefühl, dass etwas richtig gut geklappt hat, von den lustigen durch sprachliche Unterschiede bedingten Situationen, von den herausfordernden Momenten? Zu meinem Volontariat gehörten so viele komplexe Eindrücke mit zahllosen Nuancen. Als ich mit nur einem Monat Volontariatserfahrung im Gepäck jungen Leuten in Süddeutschland vom finnischen Bildungssystem erzählen sollte, als in Helsinki an keinem geringeren Ort als dem Festsaal Valkoinen Sali das größte Gemeinschaftsprojekt in der Geschichte der Kultur- und Wissenschaftsinstitute Finnlands, Mobile Home 2017, gelauncht wurde, als ich in Kiel vor den Augen von 500 Kulturinteressierten die Rednerbühne betrat… Solche Erlebnisse kann man nicht in Worte packen – man muss sie selbst erleben.

Als ich vor Beginn meines Volontariats vor ziemlich genau einem Jahr an einem warmen Frühlingstag mit dem Bus von Kopenhagen nach Berlin fuhr, war ich eigentlich ziemlich sicher, dass es mir gefallen würde. Ich hatte die Aktivitäten des Finnland-Instituts schon in den sozialen Medien verfolgt, mein Auslandsstudienjahr in Berlin verbracht und mich einfach in die Stadt, ihre Verrücktheit und Buntheit verliebt. Aber nie im Leben hätte ich erahnen können, was ich in diesem Jahr alles erfahren und lernen würde – wie viel Verantwortung ich übernehmen, wie viele interessante und kluge Menschen ich treffen, wohin überall ich reisen würde. Und vor allem, zu einem um wieviel selbstsichereren, reiferen Menschen ich mich währenddessen entwickeln würde.

Meine Zuständigkeit als Volontärin bezog sich insbesondere auf PR und Kommunikation sowie auf das zum Festjahr anlässlich der hundertjährigen staatlichen Unabhängigkeit Finnlands gehörende Projekt Mobile Home 2017. So hatte ich das Privileg, ein internationales Großprojekt von seinen ersten Schritten bis zum Launching zu begleiten. Die Eröffnung der Berliner Mobile Home-Ausstellung Ende Januar war – so real sie war – für mich eine beinahe unwirkliche Erfahrung: Die Botschafterin von Finnland Ritva Koukku-Ronde und der Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa von Berlin Dr. Klaus Lederer sprachen vor der futuristischen Rauminstallation des Künstlers Tuomas A. Laitinen, später war in genau dieser Installation die surrealistische, experimentelle Musik von Tatu Rönkkö und Islaja zu hören, und um mich herum wurden in bester Eintracht Finnisch, Englisch, Deutsch, Schwedisch und andere Sprachen gesprochen. Keine sehr traditionelle Art, hundert Jahre finnische Unabhängigkeit zu feiern! Es war schlicht unbegreiflich, dass genau die Rauminstallation, in der dies alles ablief, ein halbes Jahr zuvor in zahllosen Planungsgesprächen nur auf dem Papier existiert hatte. Mobile Home 2017 ist auch ein echtes Beispiel europäischer Zusammenarbeit, in der unbequeme Themen wie der Krieg in Syrien, Obdachlosigkeit, Klimaveränderung und die Bedeutung des Heimatlandes nicht ausgespart werden. Ich empfand es gerade in diesen unsicheren Zeiten in Europa als Freude und Ehre, an einem solchen Projekt beteiligt zu sein.

Zu einem Volontariat gehört natürlich auch noch vieles andere als nur die im engeren Sinne damit verbundenen Aufgaben. Auch der Alltag gehört dazu, dass man unabhängig wird, Widrigkeiten überwindet und schwierige Situationen durchlebt. Sich einen privaten Internetanschluss besorgen, neue soziale Kontakte auftun, im Bürgeramt Schlange stehen, sich an die typische ”Berliner Schnauze” zu gewöhnen, von einer WG in die andere zu ziehen. Jeden Tag auf der Straße Obdachlosigkeit und Armut zu begegnen, mit der deutschen Grammatik zu kämpfen, graue Morgende am U-Bahnhof Hermannstraße zu erleben. Auf der anderen Seite war das Jahr auch erfüllt mit dem tollen, berauschenden Berliner Sommer, für das ganze weitere Leben geschlossenen Freundschaften, Fahrradfahren am Maybachufer, kleinen Second-Hand-Läden, in der Sonnenallee auf der Zunge zergehenden Hummus essen, kleine spontane Unterhaltungen auf der Straße mit Leuten, die man gar nicht kennt. Durch das Volontariat konnte ich eine bleibende persönliche Beziehung zu Berlin entwickeln, die sicherlich nicht abreißen wird. Als ich mein Arbeitszimmer aufräumte, fühlte ich Stolz und Freude, aber auch Wehmut und den Drang, in Tränen auszubrechen. Letzteres lässt auf die gute und angenehme Arbeitsgemeinschaft am Finnland-Institut rückschließen. Deshalb möchte ich abschließend dem ganzen Team des Finnland-Instituts und den anderen Kooperationspartnern aus tiefstem Herzen dafür danken, dass das beste Jahr meines bisherigen Lebens ermöglicht werden konnte. Danke und bis zum nächsten Mal!

Maija Yrjä war von April 2016 bis März 2017 als Volontärin am Finnland-Institut in Deutschland tätig.

Übersetzung aus dem Finnischen: Marion Holtkamp

 

Schwerpunktthema Heim/at im Programm des Finnland-Instituts 2017: Gesamtflyer der Berliner Veranstaltungen von Mobile Home 2017.

Detaillierte Informationen finden Sie außerdem hier.

Mobile Home 2017 ist eine gemeinsames, transnationales Projekt der Finnland-Institute in Berlin, Brüssel, London und Paris im Rahmen des Festjahres “Finnland wird 100“.

 

Autorin: Maija Yrjä
Übersetzung aus dem Finnischen: Marion Holtkamp

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