25JahreDialog: Interview mit Dr. Angela Plöger
Im Interview anlässlich der Blog-Reihe zum 25-jährigen Bestehen des Finnland-Instituts berichtet die Übersetzerin und langjährige Angehörige des Institutsbeirats Dr. Angela Plöger u.a. von langen Fahrten durch dunkle finnische Winternächte, der Bedeutung des Übersetzens für die Weltliteratur und ihrem eigenen Weg aus der DDR nach Finnland.
Angela Plöger lebt als freiberufliche Übersetzerin in Hamburg und wurde 2016 für ihren besonderen Einsatz in der finnisch-deutschen Kulturvermittlung mit dem Ritterkreuz des Ordens des Löwen von Finnland ausgezeichnet. An dieser Stelle steht die gekürzte Version von Claudia Nierstes Interview mit Angela Plöger online; die vollständige Fassung lesen Sie hier.
Woher kommt Ihr Interesse für Finnland und die finnische Sprache?
Mein Interesse wurde durch die ungarische Sprache geweckt, nämlich durch ein Lehrbuch von 1872. Das fand ich so interessant, dass ich mich an der Humboldt-Universität zu Berlin für das Fach Finnougristik einschrieb. Wir Studenten besuchten alljährlich die Sommerkurse der Universität Debrecen, und so lernte ich schnell und gut Ungarisch. Mit dem Finnischen war es in der DDR nicht so einfach, denn Finnland war als westliches Land nach dem Bau der Mauer unerreichbar. Um intensiver Finnisch zu lernen, wählte ich die Sprache als Hauptfach.
Welches Finnland-Erlebnis hat Sie besonders geprägt?
Bei meinem ersten Finnland-Aufenthalt an der Universität Helsinki sprach mich ein deutscher Student an und fragte, ob ich Lust hätte, die Stadt Oulu kennenzulernen. Sein finnischer Freund wollte mich in seinem Wagen mitnehmen. So machte ich mich mit diesem mir unbekannten, freundlichen Mann in einer Februarnacht 1965 auf die 800 km lange Fahrt nach Oulu. Es herrschte dichtes Schneetreiben, und lange sahen wir nichts außer den durch die Lichtkegel der Scheinwerfer wirbelnden Flocken. Am Ziel brachte mich der Fahrer zu einer finnischen Familie, bei der mir eine wunderbare Gastfreundschaft zuteil wurde. Es war wie ein Traum. Ich habe diese Menschen nie wiedergesehen, werde sie aber für immer in dankbarer Erinnerung behalten.
Sie kennen die Beziehungen sowohl von Ost- als auch von Westdeutschland zu Finnland. Welche Unterschiede haben Sie erlebt?
Ich war 1965 und 1967 als Stipendiatin des finnischen Unterrichtsministeriums in Helsinki, also zur Zeit des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Finnland war trotz der Spannungen zwischen DDR und BRD bemüht, zu beiden deutschen Staaten gleich gute Beziehungen zu pflegen. In Helsinki lernte ich einen Studenten aus Westdeutschland kennen. Er hatte einfach ein Finnland-Stipendium beantragt und bekommen. Diese Möglichkeit gab es in der DDR nicht. Auch wurde von mir verlangt, am Ende meines Aufenthalts Berichte über die Finnen zu schreiben, mit denen ich Kontakt gehabt hatte. Ich habe mich dem entzogen, indem ich nicht in die DDR zurückkehrte.
Kürzlich wurde in Berlin das Buch Der letzte Zug nach Moskau von René Nyberg vorgestellt, das durch Ihre Übersetzung nun auch deutschsprachigen Leser_innen zugänglich ist. Wie kamen Sie eigentlich zum Beruf der Übersetzerin?
Das Übersetzen hat mich schon immer gereizt. Leider konnte ich meinen Traumberuf erst recht spät ausüben, weil in der DDR für mich die wissenschaftliche Laufbahn „vorgesehen“ war. Beim Übersetzen fasziniert es mich, den Ausgangstext auszuloten und in meiner eigenen Sprache nach den besten Äquivalenten zu suchen. Dabei will ich bei der deutschen Leserin eine möglichst gleichartige Wirkung erzielen wie der Urtext bei den finnischen Lesern. Da Finnisch und Deutsch unterschiedlich strukturiert sind, ist das eine große Herausforderung.
Der Wert des Übersetzens kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Man denke nur an die Bibelübersetzungen, etwa die Arbeit von Luther, der damit die Grundlage der deutschen Einheitssprache schuf. Ohne die Übersetzer würden nur wenige Menschen die Werke solcher Großmeister der Weltliteratur wie Shakespeare, Miguel de Cervantes oder Haruki Murakami lesen können.
Welche falschen Vorstellungen vom Übersetzen sind Ihnen begegnet?
Vor allem die Vorstellung, dass man den Text einfach Wort für Wort überträgt. Dabei sollte eigentlich jeder, der je eine Fremdsprache gelernt hat, zumindest wissen, dass es nicht für alle fremdsprachlichen Wörter eine direkte deutsche Entsprechung gibt.
Neben dem Übersetzen setzen Sie sich bei Lesungen, Vorträgen, Übersetzer-Workshops und Seminaren sowie in Artikeln für die Deutsch-Finnische Rundschau für den finnisch-deutschen Kulturaustausch ein. Welche Themen sind besonders gefragt?
Im Vordergrund stehen Buch- bzw. Autorenpräsentationen und immer wieder die Vermittlung finnischer Geschichte sowie der Fragen der Minderheiten und der gesellschaftlichen Entwicklung. Häufig werde ich gebeten, über den Beruf des Übersetzers zu sprechen. Dabei interessiert besonders der Prozess, wie aus einem finnischsprachigen Buch ein deutschsprachiges wird, sowie die Frage, wie die deutschen Titel zustande kommen.
Seit 2009 sind Sie auch Beiratsmitglied des Finnland-Instituts. Wie entstand diese Verbindung?
Der langjährige Vorsitzende des Beirats, Dr. Robert Schweitzer, fragte mich, ob ich dort mitarbeiten möchte. Meine Aufgabe würde es sein, die Mitglieder des Beirats über die Entwicklung der finnisch-deutschen Literaturbeziehungen zu informieren. Das tue ich nunmehr seit zehn Jahren.
Das Interview führte Claudia Nierste.
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Das Finnland-Institut wird im Herbst 2019 25 Jahre alt. Als erstes Kultur- und Wissenschaftsinstitut Finnlands im deutschsprachigen Europa wurde es Ende September 1994 eröffnet. In diesen 25 Jahren war der Dialog zwischen den finnischen Partnern und den Akteuren vor Ort in Deutschland, Österreich und der Schweiz zentral in der Tätigkeit des Finnland-Instituts. Diesen Dialog haben im der Laufe der Jahre die vielen Personen und Persönlichkeiten ermöglicht, die sich im Namen des Finnland-Instituts für den Austausch zwischen den Ländern engagiert haben. In unserer Blog-Reihe #25JahreDialog kommen im Laufe des Jahres einige von ihnen zu Wort.