30 Jahre Finnland-Institut: „Bei dieser Arbeit fühle ich mich in beiden Kulturen zu Hause“
2024 jährt sich die Eröffnung des Finnland-Instituts zum 30. Male. Pinja Saarela führte mit Institutsleiter Mikko Fritze und seiner Assistentin Suvi Wartiovaara aus diesem Anlass ein Gespräch: über Literatur, die Zukunft des Instituts und – wie könnte es anders sein – auch über die Sauna. In einem waren sich beide einig: Jeder Tag am Institut ist eigentlich ein Grund zum Feiern!
Pinja: Zunächst möchte ich euch bitten, zu erzählen, welche Rollen ihr jeweils am Institut innehabt.
Mikko: Oh, bei mir handelt es sich um eine ganz schön vielseitige Rolle. Wir sind ein Team, in dem jede*r Einzelne die vielfältigsten Aufgaben übernimmt und alle sich gegenseitig unterstützen. Mir gibt diese Art zu arbeiten ein sehr gutes Gefühl. So ist auch Abwechslung garantiert. – Wie der Titel schon sagt: Ich bin der Leiter, also habe ich mich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen bzw. sollte zumindest verstehen, warum und wieso gewisse Entscheidungen getroffen wurden. Und solche Situationen der Entscheidungsfindung gibt es ja reichlich. Oft bin ich auch derjenige, der das Institut bei den verschiedensten Gelegenheiten vertritt: auf Empfängen, Premieren, Eröffnungen und bei Sitzungen – so etwas kann sehr interessant, manchmal aber auch zäh und ermüdend sein. Zwei- bis dreimal im Jahr mache ich Dienstreisen nach Finnland, und das ist immer fantastisch!
Suvi: Ich habe zwei verschiedene Rollen: Den Löwenanteil meiner Arbeitszeit umfasst meine Aufgabe als Assistentin der Institutsleitung – was inhaltlich ja fast alles bedeuten kann, je nachdem, wer jeweils die Institutsleitung innehat. Eine Assistentin arbeitet vor allem und meistens im Hintergrund und sorgt dafür, dass sich viele Dinge weiterentwickeln, quasi „von selbst“. Dadurch, dass ich hier am Institut ja von Anfang an mitgemischt habe, verstehe ich mich gewissermaßen als „Gedächtnis“, sei es in Bezug auf Kultur- und Wissenschaftsprojekte oder auch in Bezug auf verschiedene Gepflogenheiten und Netzwerke. Mein zweiter Aufgabenbereich, der mir ganz besonders am Herzen liegt, ist die Planung und Koordination unseres Literaturprogramms.
Pinja: Mikko, vor der Zeit am Finnland-Institut hast du über 25 Jahre lang beim Goethe-Institut gearbeitet. Du meintest, dass du das Finnland-Institut auch schon damals kanntest. Wie kam es dazu, dass du dich überhaupt für die Arbeit am Finnland-Institut interessiert hast?
Mikko: Ich bin in beiden Ländern zu Hause und stamme ja sozusagen auch aus beiden Ländern. Zu beiden spüre ich eine tiefe persönliche Verbindung. Sowohl Finnland als auch Deutschland bedeuten für mich Heimat. Die Möglichkeit, Beziehungen zwischen beiden Ländern im Rahmen meiner Arbeit auf- und auszubauen und sogar entstehen zu lassen, ist für mich wie die Erfüllung eines Traums. Jahrzehntelang hatte ich außerdem gar nicht in Deutschland gewohnt, habe mich aber danach gesehnt. Also passte diese Stelle in Berlin wie die Faust auf‘s Auge! Während meiner 25 Jahre beim Goethe-Institut bin ich mit meiner Familie sechsmal von einem Land ins nächste umgezogen. Und von einer Kultur in die nächste. Es war alles extrem interessant, doch es kostet jedes Mal enorm viel Kraft, sich an ein neues Land anzupassen. Ich muss gestehen, dass ich diese Kraft nicht mehr aufbringen konnte. Bei dieser Arbeit hier bin ich in der Kultur beider Länder zu Hause.
Pinja: Suvi, das Institut feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Du gehörst seit 1993 zum Team, von Anbeginn an. Woran erinnerst du dich besonders gern?
Suvi: Gerade aufgrund der Tatsache, dass ich bei uns für das Literaturprogramm verantwortlich bin, haben viele meiner schönsten Erfahrungen mit der alljährlich stattfindenden Leipziger Buchmesse zu tun, wo das Finnland-Institut schon seit 25 Jahren vertreten ist. Zunächst waren wir allein dort, später in Kooperation mit den Berliner Botschaften der Nordischen Länder und selbstverständlich auch mit der finnischen Organisation für Literaturaustausch FILI Finnish Literature Exchange und den deutschen Verlagen. Aufgrund der Pandemie musste die Buchmesse drei Jahre hintereinander abgesagt werden. Umso glücklicher waren wir, als wir im Frühjahr 2023 endlich wieder die geradezu nach Literatur lechzenden Besucher*innen am Nordischen Forum der Buchmesse und bei Lesungen von Autor*innen und ihren Übersetzer*innen im Zentrum von Leipzig begrüßen durften!
Pinja: Mikko, du wurdest in Tampere in eine deutsche Familie hineingeboren und hast deine Kindheit in Finnland verbracht. Und du, Suvi, bist Diplom-Übersetzerin und lebst schon seit 30 Jahren in Deutschland. Euch beide verbindet eine starke Beziehung zur deutschen und auch zur finnischen Kultur. Mich würde interessieren, welche Ähnlichkeiten ihr zwischen den Finnen und den Deutschen seht.
Mikko: Ähnlichkeiten gibt es durchaus, angefangen bei der Liebe von beiden zu Musik, Theater, Literatur und zur Natur, vor allem zum Wald. Die Finnen und die Deutschen verbindet der Wunsch, für Ordnung zu sorgen – in Deutschland glauben manche sogar nach wie vor, dass dies niemand so gut kann wie sie. Beide wollen selbst für die alltäglichsten Dinge Regeln schaffen – die Finnen glauben aber, dass nur die Deutschen so sind. Ähnlich sind sie sich auch darin, dass es ihnen schwerfällt, ihre Kultur zu öffnen und sie an die sich verändernde Welt anzupassen, denken wir beispielsweise an das Thema Einwanderung.
Suvi: Kommunikation wird in beiden Ländern großgeschrieben, aber unterschiedlich aufgefasst. Direktheit und Aufrichtigkeit werden in beiden Ländern wertgeschätzt; in Deutschland sagt man seine Meinung allerdings oft ungefragt, während die Finnen viel zu oft zu bescheiden bleiben und sich erst äußern, wenn man sie extra darum bittet. Aber selbstverständlich gibt es in beiden Ländern auch große regionale Unterschiede. – Mir als geborener Helsinkierin und somit „Hauptstädterin“ fällt es leicht, in Berlin zu leben. Viele Berliner*innen halten die Stadt ja für das Zentrum des Universums! Berlin ist ja auch toll – kein Wunder, dass ich mich hier sehr wohlfühle.
Pinja: Das Finnland-Institut hat ja auch eine eigene kleine Bibliothek mit Büchern auf Deutsch, Finnisch und Schwedisch. Könnt ihr etwas Bestimmtes empfehlen?
Mikko: Na sicher, jede Menge. Finnische Literatur ist reich und vielfältig und befasst sich keineswegs nur mit Finnland. Sie hat Weltniveau. Kommt in unsere Bibliothek zum Stöbern, und ich und auch alle anderen geben euch gern Empfehlungen!
Suvi: Zu meinen Lieblingsautoren aus Finnland zählen Olli Jalonen und Kjell Westö, und von beiden haben wir etliche Titel in wunderbaren deutschen Übersetzungen von Stefan Moster beziehungsweise Paul Berf. Bei Kinderbüchern fallen einem die Tatu-und-Patu-Bücher von Aino Havukainen und Sami Toivonen sowie die vielen Werke von Mauri Kunnas ein.
Pinja: Mikko, du bist bekanntlich ein großer Sauna-Fan und hast dich auch am Bau einer finnischen Sauna auf dem Gelände der ehemaligen Destillerie „Monopol“ in Berlin-Reinickendorf beteiligt. Wie sieht ein gelungener Saunaabend aus?
Mikko: Zunächst braucht man auf jeden Fall eine gute Sauna: eine Sauna, in der man selbst den Aufguss machen kann und in der es genug Luft und Wärme gibt. Wichtig ist auch, mit wem man in die Sauna geht. Mir gefällt es, in der Sauna zu sitzen und mich mit den anderen zu unterhalten, doch manchmal ist es auch schön, einfach seine Ruhe zu haben.
Pinja: Was dürfen wir zukünftig vom Finnland-Institut erwarten? Gibt es bestimmte Vorhaben und Projekte, die ihr durchführen möchtet?
Mikko: Ich möchte den Wald möglichst vielseitig und aktuell behandeln. Außerdem möchte ich mit künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Mitteln das schwedischsprachige Finnland behandeln, denn es ist interessant und faszinierend und im deutschsprachigen Europa immer noch nicht besonders gut bekannt.
Suvi: Unsere Kooperation mit dem Museum Europäischer Kulturen in Berlin zur samischen Kultur wird mit Sicherheit auch in Zukunft fortgesetzt. Der Themenbereich ist so umfassend, dass uns mit dem Museum in den nächsten Jahren noch etliche Projekte verbinden werden – stelle ich mir vor. Außerdem hoffe ich, dass Literaturprojekte, so etwa das von FILI lancierte Kooperationsprojekt It‘s Finland again!, längerfristig von Erfolg gekrönt sein werden. Und natürlich wünsche ich mir, dass die nordische Kooperation auf der Leipziger Buchmesse, aber auch auf der Buch Wien fortgesetzt wird.
Pinja: Mögt ihr uns noch verraten, wie das Finnland-Institut sein 30-jähriges Bestehen feiern wird?
Mikko: Wir haben uns dafür entschieden, keine groß angelegte Einzelfeier durchzuführen, sondern gewissermaßen findet das ganze Jahr unter dem Markenzeichen „Jubiläum“ statt. Einige größere Veranstaltungen werden wir jedoch haben, wie etwa die Deutsche Erstaufführung des Werkes Hush der verstorbenen finnischen Komponistin Kaija Saariaho in der Berliner Philharmonie. Auch die finnische Kultusministerin wird dieses Ereignis mit ihrer Anwesenheit ehren.
Suvi: Der Alltag des Finnland-Instituts ist im Grunde eine einzige große Feier! Dank gilt hierfür den vielen langjährigen Kooperationspartner*innen, Besucher*innen und Akteur*innen aus Kultur und Wissenschaft. Und auch all denen, die über die Jahre bei uns gearbeitet oder ein Volontariat oder Praktikum gemacht haben. Feiern bedeutet für mich, sich eben auch an all die Personen und die Einrichtungen zu erinnern, mit denen dies alles möglich werden konnte.
Pinja: Das Finnland-Institut ist übrigens genauso alt wie ich, die ich die Interviewfragen stelle. Welche Lebensweisheiten würdet ihr dem 30-jährigen Institut beziehungsweise mir als Praktikantin mitgeben wollen?
Mikko: Bleib stets aufrecht und neugierig. Sei bereit, Neues zu sehen und zu erleben!
Suvi: Glaube an deine Träume, wo immer du auch sein magst!
Übersetzung aus dem Finnischen: Suvi Wartiovaara
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Eine gekürzte Fassung dieses Interviews erscheint im September 2024 auch in der Zeitschrift der Deutsch-Finnischen Gesellschaft Deutsch-Finnische Rundschau, Nr. 202.