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Mikaela Mäkelä. Foto/kuva: Aapo Rauha

„Es war wie der Grand Prix der Projektarbeit“

Kunst und Marketing müssen durchaus keine unvereinbaren Gegensätze sein – das wird in Mikaela Mäkeläs Arbeitsphilosophie deutlich: Sie interessiert sich für die Schnittstellen von Kreativität und kommerziellen Aspekten und genießt es, in diesem Spannungsfeld tätig zu sein.

Mikaela Mäkelä war von August 2020 bis November 2022 als Projektkoordinatorin am Finnland-Institut tätig und hatte dabei entscheidenden Anteil am Gelingen so verschiedener Kooperationsprojekte wie A I S T I T / coming to our senses und dem Saunawassermarathon. Elsa Niveri konnte die „Großkonsumentin von Kunst“ kurz nach ihrem Abschied vom Finnland-Institut interviewen.

 

Welchen Wert haben Kunst und Kultur in deinen Augen?

Auf eine derart große Frage wartet eine ebenso große Antwort: Der Wert von Kunst und Kultur ist enorm!

Ich interessiere mich für alle Arten von Selbstentfaltung und -beobachtung. In ihrer Bandbreite sind Kunst und Kultur eine wichtige Unterstützung in diesem Bereich. Durch sie ist es möglich, das eigene Leben wie aus der Ferne, mit einer gewissen Distanz, zu betrachten, was häufig zu neuen Beobachtungen und Erkenntnissen führt.

So wie das Leben und die Entscheidungen, die wir treffen, uns als Menschen wachsen lassen, können wir durch Kunst – und Kultur im weiteren Sinne – ebenso neue Dinge über uns selbst und die Welt um uns herum erfahren und verstehen lernen. Eines der besten Dinge an Kunst ist, dass wir im Leben verschiedene Entscheidungen und Lebensphasen durchlaufen müssen, um als Person zu wachsen. In der Kunst aber erledigt es die Künstler*in oder die Künstler*innengruppe für dich – als Erlebende*r kannst du die Gedanken und Gefühle, für die die Kunstschaffenden Wochen, Monate oder sogar Jahre brauchten, innerhalb weniger Augenblicke erfahren und genießen. Im besten Fall hält die Wirkung des Kunsterlebnisses lange an und bewegt, berührt und inspiriert dich nachhaltig.

Ich nehme wahr, dass Kunst ein Kanal ist, durch den Gefühle und Gedanken zwischen der Schöpfer*in des Werkes und der beobachtenden Person vermittelt werden können. Kunst bringt uns nicht nur Freude, sie hilft uns auch, uns selbst und einander besser zu verstehen. Darüber hinaus werden durch Kunst wichtige Gespräche in der Gesellschaft entfacht, die im besten Fall zu positiven und notwendigen Veränderungen führen.

Manchmal hat Kunst auf mich eine sehr persönliche Wirkung. Die hervorgerufenen Gefühle helfen mir, mit etwas umzugehen, das ich mit der Künstler*in teile. Oft liegt in künstlerischen Erfahrungen auch etwas tief Menschliches, woraufhin ich meine Mitmenschen mit sanfteren und verständnisvolleren Augen betrachte.

Generell sind Kulturerlebnisse notwendige Eskapismen inmitten des Alltags. Für mich als Ästhetikerin hat Kunst im Alltag eine enorme energiespendende und zugleich erdende Kraft – Werke in den eigenen vier Wänden bringen sowohl Freude als auch ein Heimatgefühl, insbesondere durch die Erinnerungen, die mit ihnen verknüpft sind.

Betonen möchte ich noch, dass Kunst und Kultur allen gehören. Ich glaube fest daran, dass jede*r in einer Kunst- oder Kulturform Ausdruck finden kann. Ich lege allen ans Herz, nicht zu viel darüber nachzudenken, wie die Kunst „verstanden werden sollte“ – das Wichtige ist, zu erfahren, welche Emotionen unterschiedliche Kunsterlebnisse in dir hervorrufen, und in all den verschiedenen Formen deinen persönlichen Liebling zu finden.

 

Wieso ist länderübergreifende Zusammenarbeit, Mehrsprachigkeit und das Verflechten von Kulturen wichtig für unsere Gesellschaft?

Das Leben wäre langweilig ohne Vielfalt. Multikulturalität könnte man mit einem Arbeitsplatz bzw. Teamarbeit vergleichen – um das beste Ergebnis zu erzielen, ist es sinnvoll, dass sich die Fähigkeiten und Kenntnisse der Teammitglieder unterscheiden und sich somit ergänzen. Durch die Unterschiede und die Bündelung unserer Kräfte können wir etwas viel Reichhaltigeres und Wirkungsvolleres erreichen, als wenn nur Menschen mit ähnlichen Hintergründen zusammenarbeiten.

Multikulturalismus ist allerdings noch nicht immer auf Rosen gebettet und kann leicht zu Missverständnissen führen. Ich glaube, dass Neugier und Geduld anderen gegenüber in solchen Situationen äußerst hilfreich sind.

 

Was macht das Finnland-Institut deiner Ansicht nach aus?

Mir gefällt, dass wir sehr agil sind: Entscheidungen sind schnell getroffen und wir haben relativ viel Freiheit bezüglich der Inhalte unseres Programms. Das bedeutet, dass die Ideen und Schwerpunkte der einzelnen Teammitglieder bei unserer Arbeit von großer Bedeutung sind – es gibt Raum für Kreativität und das sowohl vom Team als auch vom Publikum.

Wir bringen Menschen zusammen. Diese Netzwerk- und Gemeinschaftskraft ist etwas ganz Besonderes und sehr wertvoll. Wir alle gehen mit Leidenschaft zur Arbeit, was bestimmt auch an der herzlichen und einladenden Arbeitsatmosphäre liegt, die es einem leicht macht, sich am Institut wohlzufühlen. Meiner Erfahrung nach ist das Finnland-Institut eine agile und professionelle Organisation. Es war mir eine Freude, Teil dieses großartigen Teams zu sein.

 

Hattest du in deiner Zeit am Institut Erlebnisse, die dir besonders hängen geblieben sind?

Ich beziehe mich ein wenig auf die vorherige Frage: Ein prägendes Erlebnis war während des Pandemie-Herbsts 2020, als unser Team auf die Idee und die Notwendigkeit kam, darstellenden Künstler*innen in einer schwierigen Zeit zu helfen. Nach dem Gespräch habe ich direkt begonnen, die Idee weiterzuentwickeln. Darauf aufbauend wurde das Format Living Room Live ins Leben gerufen – der erste Auftritt wurde gut zwei Wochen nach dem besagten Gespräch über den Instagramkanal des Instituts live gestreamt. Das fasst ganz gut zusammen, was ich mit der Agilität des Instituts meine. Es ist sehr bereichernd, eigene Visionen in der Arbeit umsetzen zu können und das Gefühl zu haben, dass es Raum, Bedarf und Wertschätzung für die eigene Kreativität gibt.

 

Was hast du aus deiner Zeit hier gelernt?

„Teamwork makes the dream work!“ – die Kraft, die in funktionierender Zusammenarbeit liegt. Dabei meine ich zum einen die zwischen verschiedenen Akteur*innen aus Sicht der Projektarbeit und Kommunikation, aber auch, was mit einem eingespielten Team alles erreicht werden kann.

Zusammenfassend war meine Zeit am Institut eine Kombination aus einem angenehmen Alltag und interessanten Begegnungen. Inmitten dessen ist mein Verständnis dafür, wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen, gewachsen – wenn Ehrgeiz und Leidenschaft mit großen Chancen kombiniert werden, kommt es irgendwann dazu, dass auf Team- oder individueller Ebene die Augen größer sind als der Mund. Man muss lernen, auch zu schönen Dingen nein sagen zu können, um realistisch mit Ressourcen und Kapazitäten umzugehen. Dann bleibt die Flamme für Arbeit und Leben am lodern.

 

Bei welchen Ausstellungen, Veranstaltungen, Konzerten, Talks etc. der letzten Jahre hattest du am meisten Vergnügen mitzuwirken?

Mir fällt direkt die Gruppenausstellung CRUSH ein. Wir haben sie im Frühjahr 2022 in einer einzigartigen Umgebung organisiert: einer historischen Schleusenmeisterei auf einer kleinen Kanalinsel in Berlin-Moabit, die zu einem Galerieraum umgebaut worden war. Unser Ausstellungsprojekt war mit viel Anstrengung verbunden, was sich aber ausgezahlt hat. Wir bekamen großes Lob von den Partner*innen, den teilnehmenden Künstler*innen und dem Publikum.

Eine ganz besondere Stellung nimmt natürlich auch das transnationale zeitgenössische Kunstprojekt A I S T I T / coming to our senses ein, das in Gemeinschaftsarbeit von vier Instituten ins Leben gerufen wurde und wo ich als Projektkoordinatorin fungierte. A I S T I T fand in insgesamt vier Ländern statt, es gab unterschiedliche Veranstaltungsorte und Partner*innen, ein großes Projektteam und all das erfolgreich während der Pandemie – es war wie der Grand Prix der Projektarbeit. Wir alle haben viel innerhalb unseres Teams voneinander und von dem Projekt selbst gelernt. Diese Erfahrung war sehr wertvoll für die Zukunft.

 

Wie sieht dein Tätigkeitsbereich als Projektmanagerin aus? Gibt es einen festen Alltag?

Die Arbeit ist sehr vielseitig. Zu meinen Aufgaben gehören Koordination, Produktion, Kommunikation, Budgetierung und Berichterstattung. Auch die Beantragung von Fördermitteln und die Repräsentation gehören dazu. Der Austausch mit verschiedenen Beteiligten, d.h. E-Mails, Meetings und Kommunikationsaufgaben, nehmen den größten Teil des Arbeitstages ein.

Die Arbeitsumgebungen sind von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich: So war die Arbeit mit zeitgenössischen Künstler*innen, Museen und deren Mitarbeiter*innen beim A I S T I T -Projekt ein ganz anderes Arbeitsumfeld als beispielsweise beim Saunawassermarathon, wo die Zusammenarbeit hauptsächlich mit Vereinen, Blogger*innen und Unternehmen im Bereich Tourismus und Sauna verbunden war.

 

Der Saunawassermarathon? Das ist ja ein lustiger Begriff. Was verbirgt sich dahinter?

Der Saunawassermarathon war ein Projekt, um die finnische Saunakultur in Form einer Gemeinschaftsaktion auf unterhaltsame Weise in Deutschland bekannter zu machen.

Es ging damit los, dass im Juni 2022 Wasser aus dem Pyhäjärvi-See in Tampere entnommen und anschließend in Flaschen abgefüllt wurde. Am 11. Juni, dem Tag der finnischen Sauna, wurde der Marathon an der historischen Rajaportti-Sauna in Tampere feierlich eröffnet. Danach wurde das Wasser in einem Saunaeimer nach Helsinki und von dort mit Finnlines nach Travemünde gebracht. Die Ankunft des Wassers auf deutschem Boden wurde mit einem ganztägigen Sauna-Event gefeiert. Von dort bahnte sich der Eimer mit Hilfe hunderter helfender Hände seinen Weg durch ganz Deutschland bis nach Stuttgart.

Über die für das Projekt erstellte Website konnten sich Menschen als Träger*innen des Saunaeimers melden und eine eigene Veranstaltung mit Bezug zu Finnland und/oder der finnischen Sauna organisieren. Besonders gefreut haben wir uns über die Kreativität der Menschen bei ihren Fortbewegungsmitteln – es waren z.B. Lastenräder, SUP-Boards, Pferde und Rennruderboote dabei! – und Veranstaltungsideen. Insgesamt wurden mehr als 70 Events deutschlandweit organisiert, was bedeutet, dass während des Marathons jeden zweiten Tag irgendwo in Deutschland die finnische Saunakultur zelebriert wurde. Das ist eine unglaublich tolle Sache!

 

Welche Bedeutung hat der Saunawassermarathon für dich persönlich?

Ich glaube, dass die Pandemie die Bedeutung noch einmal mehr geprägt hat. Der Stress und die Unsicherheit, die sie mit sich brachte, haben mich und meine Mitmenschen dazu gezwungen, mein Wohlbefinden mehr denn je zu priorisieren. In dieser Zeit habe ich mich in das Schwimmen in Natur und die Abkühlung im kalten Wasser verliebt – und damit auch das Saunieren „neu entdeckt“. Als gebürtige Finnin bin ich seit meiner Kindheit mit der Sauna vertraut, aber erst als Erwachsene habe ich den spirituellen und mentalen Aspekt der Sauna richtig verstanden.

Durch die Mitarbeit im Saunawassermarathon wurde dieses bereits geweckte Interesse an der Sauna noch weiter verstärkt und ich bin in den letzten Jahren zu einer echten Sauna-Liebhaberin geworden. Ich habe von den Menschen, die ich durch das Projekt kennengelernt habe und den Social-Media-Inhalten, die ich für das Projekt produziert habe, viel Neues über die Sauna gelernt. Der Höhepunkt war für mich das Entfachen der Freude und die Bedeutung der Sauna in meinem Leben. Außerdem das Kennenlernen von neuen, wunderbaren Menschen. Was auch sehr interessant war: mehr über die deutsche Art des Saunierens zu erfahren.

 

Was kann man von der finnischen Saunakultur lernen?

In einer finnischen Sauna ist die Atmosphäre schlicht: Es gibt wenig Licht, keine Musik und nur natürliche Düfte wie Birke oder Teer. In jeder Sauna gibt es einen Saunaeimer und eine Kelle, weil jede*r in der Sauna Aufguss – auf Finnisch löyly – machen „darf“. Die finnische Sauna kennt das Konzept eines Saunameisters nicht. In der Sauna sind alle gleich, unabhängig von ihrer Stellung oder ihrem Hintergrund. Wenn man dort sitzt, fühlt man sich als Teil einer langen Tradition, fernab von Alltagshektik und kommerziellen Reizen.

Typisch für die finnische Sauna ist ein Wechsel zwischen Heiß und Kalt – zunächst schwitzt man in der Sauna, dann kühlt man sich entweder unter freiem Himmel oder im Wasser ab. Ich denke, dass dieser Wechsel der Grund dafür ist, dass man sich nach der Sauna wie neugeboren fühlt. Saunieren unterstützt sowohl das körperliche als auch das seelische Wohlbefinden. Es lehrt einen, schonend mit dem eigenen Körper umzugehen und sanft zu sich selbst zu sein.

Ich sehe die Saunakultur als etwas wirklich Positives. Allerdings muss erwähnt werden, dass wir noch daran arbeiten müssen, aus allen Saunen, insbesondere öffentlichen Saunen, einen „Safe Space” für alle zu kreieren. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir sichere und komfortable Saunaräume für alle schaffen können, damit in Zukunft das Konzept für separate Flinta*-Tage nicht mehr nötig sein wird.

 

Danke für deinen Einblick in die Welt der Sauna! Nun würde mich noch interessieren, ob du, seit du hier lebst, das Gefühl hast, eine „Seele zwischen den Welten“ zu haben? Eine finnisch-deutsche Seele?

Ich würde meine Seele vielleicht eher als eine Kombination aus Finnisch-Sein und Weltbürgertum beschreiben. So lanciere ich eine neue Identität: finnische-Weltbürger-Berlinerin!

 

Beschreibe deine Zeit am Institut in drei Worten…

Wachstum – vom Selbst, von Netzwerken und beruflichen Fähigkeiten –,  Dankbarkeit, Begegnungen.

 

Übersetzung aus dem Finnischen: Elsa Meri Tuulia Niveri

 

März 2021 – Juni 2022 | A I S T I T / coming to our senses

Juni – Oktober 2022 | Saunawassermarathon

Elsa Meri Tuulia Niveri stammt aus einer deutsch-finnischen Familie und hat nach ihrem Abitur 2022 ein Praktikum am Finnland-Institut absolviert.

Elsa Niveri on kasvanut saksalais-suomalaiseen perheeseen ja on suorittanut harjoittelun Suomen Saksan-instituutissa syksyllä 2022.

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